Österreich:Kurz geht mit neuem Vertrauen in das Misstrauensvotum

Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz am Abend der Europawahl 2019

Sebastian Kurz triumphiert bei den Europawahlen.

(Foto: Leonhard Foeger/Reuters)
  • Die Regierungspartei ÖVP jubelt nach der Wahl zum EU-Parlament in Österreich über große Zugewinne. Kanzler Kurz geht gestärkt in das Misstrauensvotum im Nationalrat am Montag.
  • Die FPÖ atmet trotz Verlusten erleichtert durch, die Partei ist nach dem Skandal um das Ibiza-Video nicht abgestürzt.
  • Die österreichischen Sozialdemokraten schneiden bei der Wahl enttäuschend ab, die Grünen trumpfen auf.

Von Peter Münch, Wien

Die Regierungspartei ÖVP jubelt über große Zugewinne, die FPÖ atmet trotz Verlusten erleichtert durch, und bei der oppositionellen SPÖ reibt man sich verwundert und enttäuscht die Augen ob der eigenen Stagnation - das sind die Reaktionen in Österreich auf die Ergebnisse zur Europawahl. Aus dem Skandal um das Ibiza-Video mit dem inzwischen zurückgetretenen FPÖ-Vizekanzler Heinz-Christian Strache in der unrühmlichen Hauptrolle und den dadurch ausgelösten innenpolitischen Chaostagen geht nun vor allem Bundeskanzler Sebastian Kurz gestärkt hervor. An diesem Montag muss er sich dennoch im Nationalrat einem Misstrauensvotum stellen, das seine Kanzlerschaft beenden könnte - zumindest bis zur geplanten Neuwahl im September.

Die Wahl zum EU-Parlament hat in Österreich nach dem Scheitern der Koalition aus ÖVP und FPÖ ganz im Zeichen der Innenpolitik gestanden. Besonderes Augenmerk galt deshalb dem Abschneiden der FPÖ. In den letzten Umfragen vor der Veröffentlichung des Ibiza-Videos hatte sie noch bei 23 bis 25 Prozent gelegen. Da war sie allerdings auch noch Regierungspartei. Nach dem um 23 Uhr veröffentlichten Endergebnis einschließlich der Briefwahlprognose lag sie schließlich bei 17,2 Prozent - was in der Parteizentrale dennoch laute Jubelrufe auslöste. Denn dieses Ergebnis liegt nur 2,5 Prozentpunkte unter dem Resultat der vorigen EU-Wahl. Angesichts der Turbulenzen der vergangenen Tage werten die Freiheitlichen dies als Erfolg ihrer im Wahlkampf-Endspurt ausgerufenen "Jetzt erst recht"-Kampagne.

Die Partei ist nicht abgestürzt, sondern konnte ihre inzwischen offenbar doch beträchtliche Stammwählerschaft mobilisieren. Befragungen des Wiener Sora-Instituts zufolge gaben 57 Prozent der FPÖ-Wähler an, dass sie bei dieser Wahl ein innenpolitisches Zeichen setzen wollten. EU-Spitzenkandidat Harald Vilimsky nannte das Ergebnis gar "eine Sensation nach so einem heimtückischen Manöver aus Deutschland", womit er offenbar die Veröffentlichung des Ibiza-Videos durch die Süddeutsche Zeitung und den Spiegel meinte. Der designierte Parteichef Norbert Hofer meinte, "ohne Turbulenzen" wäre die FPÖ Zweiter geworden.

Sprechchöre bei der ÖVP, lähmende Stille bei der SPÖ

Noch ausgeprägter war die Freude in der ÖVP-Zentrale, wo Kanzler Kurz mit Sprechchören gefeiert wurde. Er verwies darauf, dass das Ergebnis von 34,9 Prozent "das historisch beste Wahlergebnis ist, das es jemals bei einer EU-Wahl in Österreich gegeben hat". Gegenüber der EU-Wahl 2014 bedeutet dies für die ÖVP ein Plus von 7,9 Prozentpunkten. Auch im Vergleich zur Nationalratswahl von 2017, die Kurz ins Kanzleramt brachte, hat die ÖVP noch einmal um mehr als drei Prozentpunkte zulegen können. Dies wird als Rückenwind gewertet für die anstehende Parlamentswahl im September.

Bei der SPÖ hingegen wurde das Wahlergebnis in einer fast lähmenden Stille aufgenommen, weil die Partei keinerlei Profit aus den Wirren im Regierungslager hat schlagen können. So erreichten die Sozialdemokraten 23,4 Prozent. Das liegt um 0,7 Prozentpunkte unter dem Resultat der vorigen EU-Wahl und sehr deutlich unter dem Ergebnis der letzten Nationalratswahl, bei der die SPÖ mit 26,9 Prozent der Stimmen die Macht eingebüßt hatte. Eine schlüssige Erklärung für das enttäuschende Abschneiden bei der EU-Wahl konnte in der Parteizentrale niemand liefern. EU-Spitzenkandidat Andreas Schieder verwies vielmehr auf einen "sehr guten Wahlkampf", der allerdings in den letzten Tagen überlagert worden sei.

Ein eindrucksvolles Comeback feierten bei der Europawahl die österreichischen Grünen. Nachdem sie bei der Parlamentswahl 2017 mit nur noch 3,8 Prozent der Stimmen aus dem Nationalrat geflogen und in eine Identitätskrise geraten waren, trumpften sie der Prognose zufolge auf europäischer Ebene wieder mit einem zweistelligen Ergebnis in Höhe von 14,0 Prozent auf. Die liberalen Neos verbesserten mit 8,7 Prozent leicht ihr Resultat der EU-Wahl von 2014.

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