Regierungskrise:Österreichs Parlament stürzt Kurz

Lesezeit: 2 min

  • Per Misstrauensvotum ist in Österreich die Übergangsregierung von Sebastian Kurz (ÖVP) gestürzt worden.
  • Damit steht das Land zehn Tage nach Veröffentlichung des Strache-Videos ohne Regierung da.
  • Bundespräsident Alexander Van der Bellen soll in den kommenden Tagen eine neue Übergangsregierung berufen, für September sind Neuwahlen geplant.

Von Leila Al-Serori, München

Das österreichische Parlament hat die Regierung von Sebastian Kurz (ÖVP) mit einem Misstrauensvotum des Amtes enthoben. Es ist das erste Mal, dass ein solches Votum in Österreich erfolgreich war. Die SPÖ hatte den Misstrauensantrag am Montag bei einer Sondersitzung eingebracht. Die nötige Mehrheit lieferte die FPÖ, bis vor wenigen Tagen noch Koalitionspartner von Kurz. Auch die Liste Jetzt votierte dafür, ÖVP und Neos stimmten dagegen. Damit war die Kanzlerschaft von Kurz die kürzeste seit Gründung der Zweiten Republik.

Und Österreich steht zehn Tage nach Veröffentlichung des Strache-Videos ohne Regierung da. Die Geschäfte soll zunächst Finanzminister Hartwig Löger übernehmen. "Das ist eine Art Provisorium, bis wir in wenigen Tagen eine Lösung gefunden haben", sagte Bundespräsident Alexander Van der Bellen. Wer danach bis zu den geplanten Neuwahlen im September vorübergehend Kanzler wird, ist noch offen. Van der Bellen soll in den nächsten Tagen eine neue Übergangsregierung berufen.

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Kurz kommentierte seinen Sturz am Abend mit den Worten: "Für Wut ist kein Platz." Die FPÖ und die SPÖ hätten sich gegen ihn verbündet. Dem Misstrauensantrag ging eine aufgeladene Debatte im Parlament voraus. "Herr Bundeskanzler, Sie und Ihre ÖVP-Regierung genießen das Vertrauen der sozialdemokratischen Abgeordneten nicht", sagte SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner. "Verantwortung heißt nicht, aus dem Staatsamt heraus Wahlkampf zu führen." Das Vorgehen des Kanzlers sei ein "schamloser, zügelloser und verantwortungsloser Griff nach der Macht". Mit Blick auf den ÖVP-Chef sagte Rendi-Wagner: "Die Macht geht aber vom Volk aus und nicht von Ihnen." Die SPÖ wünscht sich nun eine Übergangsregierung aus Experten.

Kurz kritisierte die SPÖ dafür, den Misstrauensantrag auf das ganze Kabinett ausgeweitet zu haben. "Jetzt auch noch die ganze Regierung stürzen zu wollen, wenige Monate vor einer Wahl, das kann, glaube ich, niemand in diesem Land nachvollziehen." Das sei eine Reaktion auf das Wahlergebnis vom Sonntag, so der Kanzler. Die ÖVP siegte bei der Europawahl klar vor der SPÖ.

Herbert Kickl, bis vor Kurzem FPÖ-Innenminister, feuerte in Richtung Kurz: "Sie sagen, es tue Ihnen leid, dass diese Koalition zerbrochen ist. Das glaube ich nicht. Ihnen tut leid, dass Ihre Machtüberlegungen nicht aufgegangen sind."

Der Misstrauensantrag und die Abberufung des Kanzlers sind der vorläufige Höhepunkt einer Regierungskrise, die mit dem Skandal-Video von Ibiza begann. Der FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache ist darauf beim Gespräch über möglicherweise illegale Geschäfte und Parteispenden zu sehen. Auf die Veröffentlichung durch Spiegel und Süddeutsche Zeitung folgten Straches Rücktritt und das Ende der ÖVP-FPÖ-Koalition.

© SZ vom 28.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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