Islamismus:Österreichs offene Gesellschaft beschädigt sich selbst

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Sebastian Kurz kehrte der Politik Ende 2021 den Rücken. Karl Nehammer (rechts) ist sein Nachfolger als Kanzler - und als Chef der konservativen ÖVP. (Foto: Herbert Neubauer/dpa)

Kanzler Kurz will einen Straftatbestand "politischer Islam" einführen und bereits bloßes Denken unter Strafe stellen. Das ist diskriminierend und ein Geschenk an die islamistischen Hassprediger.

Kommentar von Ronen Steinke

Der Plan der österreichischen Regierung, nach dem Terror in Wien einen Straftatbestand "politischer Islam" einzuführen, ist verkehrt. Damit würde eine Gesinnung zum Delikt erklärt werden. Eine Gesinnung, die abscheulich ist, natürlich. Eine Gesinnung, die mit universellen Menschenrechten brechen will. Eine Gesinnung, die vermeintlich göttliches Recht an die Stelle von menschengemachtem, demokratischem Recht setzen will, und die deshalb, ja, kein bisschen Sympathie verdient.

Es ist aber eben - eine Gesinnung. Österreichs Regierung will nicht ein Handeln unter Strafe stellen, sondern bloßes Denken. Dem stehen zu Recht nicht nur die österreichischen, sondern mit großer Klarheit auch insgesamt die europäischen Rechtstaatsprinzipien entgegen. Ein Staat, der Menschen allein wegen vermeintlicher Gedanken einsperrt, das ist eine Horrorvorstellung. Zumal es auch nicht wenige Befürworter von "politischem Islam" gibt, die auf gewaltfreie Mittel setzen, die Muslimbrüder zum Beispiel oder auch die meisten der sogenannten Salafisten.

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Nach dem Anschlag in Wien soll der Staat umfangreiche Mittel gegen sogenannte Gefährder bekommen, kündigt Österreichs Kanzler an. Der "politische Islam" soll ein eigener Straftatbestand werden.

Der Plan, einen Tatbestand namens "politischer Islam" einzuführen, ist verkehrt, auch weil damit ein Sonderrecht gegen Muslime geschaffen würde. Es ist keine versteckte Diskriminierung, die Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz da ankündigt. Sondern eine selten offene, eine schamlose. In die Gedankenwelt nur der Muslime sollen sich Staatsanwälte einschalten, so schlägt es die österreichische Regierung vor. Sonst nirgends.

Warum nicht auch einen Straftatbestand "rechtsextreme Ansichten"?

Konsequenterweise müsste diese Regierung auch einen Straftatbestand namens "rechtsextreme Ansichten" schaffen. Oder auch "frauenverachtende Ansichten", ist doch auch dies eine Gedankenwelt, die, um die Worte des Kanzlers Kurz aufzugreifen, "den Nährboden" für erhebliche Gewalt bereitet. Und nicht nur der "politische Islam", sondern vor allem der politische Katholizismus hat in Österreichs Geschichte Verheerendes angerichtet.

Schließlich aber ist der Plan von Österreichs Regierung, einen Tatbestand "politischer Islam" einzuführen, vor allem ein Geschenk. Es ist ein Geschenk an die islamistischen Hassprediger selbst, die sich jetzt nicht nur gute Chancen auf eine Solidarisierung aller Muslime ausrechnen dürfen, die gemeinsam mit ihnen derart diskriminiert werden sollen. Sondern die außerdem dabei zusehen können, wie sich Österreichs offene Gesellschaft selbst beschädigt.

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