Österreich:Wie in Stalingraz

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Kay-Michael Dankl ist das Gesicht einer engagierten Kümmerer-Truppe in Salzburg. (Foto: Barbara Gindl/dpa)

Nach dem Erfolg der KPÖ bei den Landtagswahlen in Salzburg stellt sich einmal mehr die Frage: Woher kommt Österreichs Faszination für die Kommunisten?

Von Verena Mayer

Das politische Comeback, mit dem wahrscheinlich die wenigsten gerechnet haben, gelang den österreichischen Kommunisten. Die KPÖ gehört zwar zu den ältesten Parteien des Landes und hat die politische Landschaft geprägt. Aber spätestens nach dem Ende des Kalten Krieges ging sie den Weg so vieler Anachronismen: Sie landete auf dem Trümmerhaufen der Geschichte. Heute ist die KPÖ lebendig wie selten zuvor. Bei der Landtagswahl in Salzburg am vergangenen Sonntag brachte sie es auf knapp zwölf Prozent und zog erstmals seit 1949 wieder in den Landtag ein. In der Stadt Salzburg holten die Kommunisten sogar 22 Prozent der Stimmen.

Man muss das Katholisch-Konservative an Salzburg sicher nicht so herausstellen wie einst Thomas Bernhard, aber man tritt Stadt und Land vermutlich nicht zu nahe, wenn man sie als werteorientiert bezeichnet. Und dazu gehören in Österreich bestimmt nicht die "Kummerln", wie die Kommunisten genannt werden. Warum hören also so viele Österreicherinnen und Österreicher plötzlich die Signale?

Die Antwort liegt in Graz. Die Stadt hat nicht nur seit Ende 2021 eine kommunistische Bürgermeisterin. Die KPÖ ist dort auch schon seit den Nullerjahren eine feste politische Größe. Ich traf für eine Recherche damals KP-Chef Ernest Kaltenegger, der 20 Prozent der Stimmen eingefahren hatte. Als ich mit ihm durch die Stadt spazierte, die als "Stalingraz" verspottet wurde, bekam ich schnell mit, was den Erfolg der Kommunisten ausmachte. Kaltenegger setzte sich für günstiges Wohnen ein und dafür, dass alle Gemeindewohnungen ein ordentliches Badezimmer bekamen. Er hörte sich die Mietsorgen der Leute an, griff bei Problemen auch mal selbst zum Telefon. Damals wurde klar: Mit Wohnungspolitik lassen sich Wahlen gewinnen.

Wohnen ist die soziale Frage unserer Zeit

Und so war es auch in Salzburg. Dort knüpfte Kay-Michael Dankl nahtlos an die Grazer Strategie an. Er schrieb sich das Thema Mieten auf die roten Fahnen und positionierte die KPÖ als Kümmererpartei, die einem in Bürgersprechstunden mit Rat und Tat zur Seite steht. Wohnen ist die soziale Frage unserer Zeit, und die KPÖ versprach Antworten. Dazu kommt, dass der 34-jährige Dankl, der Geschichte studiert und als Museumsguide gearbeitet hat, wenig von einem sozialistischen Apparatschik hat. Und wie schon die Grazer spenden die Salzburger Kommunisten einen Teil ihrer Politikergehälter, was im Land der Korruptionsaffären durchaus originell ist.

Vor allem aber liegt es daran, dass die KPÖ 2.0 eine Art entideologisierte Partei ist. Vorbei sind die Zeiten, als es hieß, die österreichischen Kommunisten seien so linientreu, dass sie in Wien den Schirm aufspannen, wenn es in Moskau regnet. Das K in KPÖ steht für Kommunalpolitik. Und so ist es wahrscheinlich nur eine Frage der Zeit, bis auch in anderen Bundesländern die Signale gehört werden.

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