Österreich-Kolumne:Politiker als Tiere

Österreich-Kolumne: Was wäre Sebastian Kurz als Tier? Laut einer nun bekannt gewordenen Studie unter anderem ein Pfau.

Was wäre Sebastian Kurz als Tier? Laut einer nun bekannt gewordenen Studie unter anderem ein Pfau.

(Foto: Monika Skolimowska/dpa)

In Österreich zählt der schöne Schein so viel wie kaum anderswo. Wie auch die sündhaft teuren Umfragen des Finanzministeriums belegen. Was haben sie herausgefunden?

Von Cathrin Kahlweit

Als die Pandemie ausbrach, soziale Kontakte weniger wurden und in manchen Wohnungen die große Einsamkeit einzog, begannen die beiden eher unwahrscheinlichen Briefpartner Claus Pándi, Chefredakteur der Salzburg-Krone, und Armin Thurnher, Herausgeber des Falter, einander - und damit allen, die ihnen auf Twitter folgen - Gedichte zu schicken. Zum Nachdenken, zum Aufmuntern. Ich habe vieles kennengelernt, was mir neu war.

Nun hat Lojze Wieser, slowenischsprachiger Verleger aus Klagenfurt, auf Twitter einen schönen Vorschlag eingereicht: Es werde "Zeit für dieses Gedicht" schrieb er, und stellte Verse von der großen Rose Ausländer vor. "Noch bist du da", heißt das kurze Werk und gehört zu den schönsten, die ich in letzter Zeit gelesen habe. Die ersten Worte gehen so: "Wirf deine Angst / in die Luft", die letzten lauten: "Sei was du bist / Gib was du hast."

Weil der schöne Schein so wichtig ist

Sei, was du bist, gib, was du hast. Zwei schlichte Regeln. Und so schwer zu leben. Was - Achtung abrupter Themen- und Stimmungswechsel - in Österreich manchmal noch ein wenig schwerer zu sein scheint als anderswo, weil der schöne Schein so wichtig ist - und uns unmittelbar zur Titelsucht im Land der Kommerzialräte, Oberbereiter, Kammerschauspieler und Militärerzdekane führt.

Es gibt zurzeit besonders viele gute Anlässe, über Titel, Ehren, Aufstiege nachzudenken. Da ist, zum einen, der Professorentitel, den man in Österreich auch ohne Habilitation als "Berufstitel" verliehen bekommen kann wegen besonderer Verdienste um die Republik. Ende vergangenen Jahres wurde er zum Beispiel einem PR-Berater und Herausgeber eines Lifestyle-Magazins verliehen. Schön für ihn. Die Sache wurde anscheinend noch unter Ex-Kanzler Kurz eingetütet. Über einen anderen Glücklichen, der schon 2010 den Professorentitel verehrt bekam, habe ich unlängst in einem Urteil des Oberlandesgerichts Graz aus dem Jahr 2018 gelesen, dass es "keinen Wertungsexzess" darstelle, wenn man in seinem Fall sage, "nur die Aberkennung dieses Titels würde die Ehre des Titels wiederherstellen". Interessante Idee.

Man muss auch gönnen können

Ich persönlich habe ja was gegen Titel, zumal wenn man damit protzt - hätte aber, wenn das so leicht geht, doch auch schon gern selbst einen. Nicht mal eine Magistra bin ich, ein Nichts also in Österreich, weil ich in Deutschland vor der Bologna-Reform einen Universitätsabschluss mit Staatsexamen gemacht habe.

Aber man muss auch gönnen können. Es gibt sicher bald wieder eine Welle der Ernennungen: Sebastian Kurz wird Professor in absentia für seine Verdienste um die konservative Bewegung in Europa, Gernot Blümel für seine Verdienste um die Computerbewegung im Kinderwagen. Könnte ich nicht vielleicht einen bekommen für Verdienste um die Bewegung meines Rades in Wien? Vielleicht wird demnächst sogar der Titel des emeritierten Papstes frei, sollte Joseph Ratzinger ihn zurückgeben.

Genug mit dem Schmarrn. Es gibt Wichtigeres. Posten in der Verwaltung, bei Gerichten, im Verteidigungsministerium, im Innenministerium, im Bundeskriminalamt, im umgebauten DNS, der neuen Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst. Überall wird aufgrund von neuen Führungs- und Organisationsstrukturen besetzt, was das Zeug hält. Nicht immer und überall scheint es dabei nur um Exzellenzfragen zu gehen oder auch nur darum, wer sich besonders gut eignet. Für Nicht-Österreicher: Das heißt hier "umfärben". Auch wenn der neue Innenminister, Gerhard Karner, in der "ZIB 2" beteuert, die entsprechenden Pläne etwa für sein Ressort seien "nicht parteipolitisch motiviert", sondern ergäben sich aus "geänderten Anforderungen". Man habe "gelernt", sagt Karner auch. Er war Anfang der Nullerjahre Pressesprecher des wegen Bestechlichkeit verurteilten Ex-Innenministers Ernst Strasser. Von diesem umfärben lernen hieß schon immer siegen lernen.

Weniger Arbeit für das gleiche Geld

Auch sonst kommt man mit dem Protokollieren derzeit nicht hinterher. Die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs, die sich in SMS an zahlreiche ÖVP-Politiker einst beklagte, dass sie durch Strippenziehen zwar einen Job bekommen habe, aber später nicht durch Strippenziehen in einen anderen Job aufsteigen durfte, wurde jetzt dahingehend degradiert, dass sie zwar weiter Vizepräsidentin des OGH bleibt, offenbar mit allen Bezügen, aber ihre Leitungsfunktionen nicht mehr wahrnehmen darf. Im Ergebnis heißt das: weniger Arbeit für das gleiche Geld. Ich wäre durchaus geneigt, das, was in den sozialen Netzwerken unter "österreichische Lösung" läuft, auch meinem Arbeitgeber vorzuschlagen.

Dann gibt es da ein großes Aufräumen im Verteidigungsministerium, wo "Doppelgleisigkeiten" und "Aktenpingpong" vermindert werden sollen. Hunderte Posten werden auf allen Ebenen neu ausgeschrieben. Weil es gewisse Befürchtungen gibt, dass Konservative, Friends and Family bevorzugt werden, hat das Ministerium schon mal vorab dementiert, dass "einzelne Jobs schon für feststehende Bewerber" aus der ÖVP zugeschnitten seien. Neuer Chef des Staatsschutzes wird derweil ein Beamter vom Landeskriminalamt Niederösterreich. Überhaupt scheint Niederösterreich die Besten der Besten hervorzubringen. Der neue DNS-Chef ist mal im Wahlkampf in einer ÖVP-Jacke gesehen worden. Aber er hat sicher auch "gelernt".

Das Aufregerthema der Woche

Gut was los also. Sie wundern sich sicher, warum Sie bis hierher lesen mussten und immer noch nichts über das Aufregerthema der Woche, die Studien der Sabine B. für das Finanzressort (oder doch eher für die ÖVP) gelesen haben, die das Ministerium jetzt freigegeben hat. Schon vergangene Woche kam heraus, dass Sebastian Kurz einer der Studien zufolge einem Delfin ("schlau") und einem Eichhörnchen ("sieht süß aus") ähnelt, nun wurde publik, dass er auch mit einem Pfau ("hinterfotzig") verglichen wurde.

Mehr als eine halbe Million Euro wurden dafür über die Jahre hinweg gezahlt, für Unsinn, Banales, Billiges. Politiker und Parteien mit Tiernamen, Automarken und Familienmitgliedern vergleichen zu lassen, ist etwa ebenso zielführend wie die Abfrage von Konzernen in der Digitalwirtschaft (Schock: Google und Amazon werden am meisten genannt) oder die Information, dass die meisten Österreicher schon mal ein Glücksspiel probiert haben (Schock: einen Lottoschein ausgefüllt).

Ob das nun unter Inseratenkorruption fällt, wird die Staatsanwaltschaft klären. Dass das Finanzministerium die hohen Kosten aus innerer Einsicht und Scham an den Steuerzahler zurückzahlen könnte, halte ich für eine überoptimistische Einschätzung. So viel lernt so schnell keine Verwaltung. Selbst wenn sie sich nicht mehr primär als türkises Back-up für das Kanzleramt betrachtet.

Ich finde aber, es gibt dazu zwei gute Nachrichten. 1) Die Studien, bis auf zwei, existieren! Hätte ja auch sein können, dass sie aus Foldern mit leeren Seiten bestehen, der Zweck war schließlich mutmaßlich die Förderung der Karriere von Sebastian Kurz und nicht die Analyse von Transparenzdatenbanken durch befragte Bürger. Und 2) In wenigen Wochen beginnt der Untersuchungsausschuss zur ÖVP-Korruption. Die Akten sind schon geliefert. Da wird das alles aufbereitet. Politik kann sehr spannend sein.

Diese Kolumne erscheint am 28. Januar 2022 auch im Österreich-Newsletter, der die Berichterstattung zu Österreich in der SZ bündelt. Gleich kostenlos anmelden.

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