Österreich-Kolumne:Unfassbare Chuzpe

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Sie lasse sich nicht wie ein "Schulmädchen" behandeln: Kathrin Glock bei ihrer Ankunft vor dem Ibiza-Untersuchungsausschuss. (Foto: ALEX HALADA/Imago)

Kathrin Glock, 40-jährige Gattin des 91-jährigen Waffenproduzenten Gaston Glock, musste vor dem Ibiza-Untersuchungsausschuss aussagen - wenig später war sie ihren Job als Aufsichtsrätin der Austro Control los.

Von Cathrin Kahlweit

Seit Kurzem gibt es in Deutschland, nach der Frauenquote für Aufsichtsräte, auch eine staatlich verordnete Quote für Vorstände. Und auch wenn die eng gefassten Regeln derzeit nur auf etwa 70 große Konzerne zutreffen, so finde ich doch: Es ist ein Anfang. Von denen haben immerhin 30 noch immer keine Frau im Vorstand, was sich jetzt langsam ändern dürfte. Manche Selbstverständlichkeiten brauchen eben ihre Zeit.

In Österreich gibt es die Quote für Aufsichtsräte auch. Aber, wie Martina Madner in der Wiener Zeitung ausführt, noch keine für Vorstände. Weshalb der Status quo peinlich ist für ein modernes EU-Land: "Mit 15 von 190 Personen sind nur 7,9 Prozent der Vorstandsposten weiblich besetzt", schreibt Madner. Bei den Aufsichtsräten stieg der Anteil - seit Erlass eines entsprechenden Gesetzes 2018 - immerhin von 19 auf 27 Prozent.

Seit einigen Tagen ist es allerdings wieder eine Frau weniger. Die grüne Umweltministerin Leonore Gewessler hat nämlich Kathrin Glock, 40-jährige Gattin des 91-jährigen Waffenproduzenten Gaston Glock, an diesem Mittwoch mit sofortiger Wirkung aus dem Aufsichtsrat der für die Flugsicherung zuständigen staatlichen Austro Control abberufen. Dort hingekommen war Frau Glock durch die FPÖ, die bis 2019 in der Bundesregierung gesessen hatte und recht enge Beziehungen zu Glock und seiner Gattin pflegt.

Es gab halb private Besuche und Charity-Events bei den Glocks, der mittlerweile zurückgetretene FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache wurde mal mit dem Privatjet eingeflogen, den früheren Infrastrukturminister und Ex- Präsidentschaftskandidat Norbert Hofer traf man beim Tierschützen. Er war es, der ihr den Aufsichtsratsposten angeboten habe, sagte Kathrin Glock am Dienstag im "Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur möglichen Käuflichkeit der türkis-blauen Regierung", über den ich - zugegeben - in letzter Zeit vielleicht etwas häufiger schreibe. Aber er bringt halt so viele schöne, kleine Fundstücke über das Leben der Reichen und Schönen in Österreich zutage.

Ach ja, ich muss nachtragen, warum Gewessler fand, Kathrin Glock sei bei der Austro Control nicht mehr haltbar: "An das Verhalten eines Aufsichtsrats eines öffentlichen Unternehmens sind höchste Anforderungen zu stellen. Die zum Ausdruck gebrachte Geringschätzung gegenüber einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss ist damit keinesfalls vereinbar", fand die Ministerin. Glock ließ wissen, für diesen Posten habe sie ohnehin keine Zeit mehr, ihre Ressourcen seien begrenzt und im eigenen Unternehmen sowie mit ihren Charities und Reitturnieren habe sie Wichtigeres zu tun.

Die Befragung durch das Parlament hatte einer Zirkusvorstellung geglichen, bei der - eine innovative Idee, finde ich - gleich von zwei Seiten Messerwerfer aufeinanderzielen. Weil ihr bettlägriger Mann nicht reisefähig und Corona-Hochrisikopatient ist, im Ibiza-Video aber von Strache als Großspender der Partei genannt worden war (was dieser später zurücknahm), hatte der Ausschuss von seiner 51 Jahre jüngeren Gattin wissen wollen, wie eng die Bande zwischen Konzern und Politik denn nun wirklich sind. Bei der ersten Ladung im November kam sie gar nicht und musste eine "Beugestrafe" von 2000 Euro zahlen, diese Woche reiste sie unter Protest an, ließ sich in einem separaten Raum vernehmen, beschwerte sich ausführlich, brauchte alle 20 Minuten eine Pause und war auch sonst nicht sehr kooperativ.

Ihr Auftritt ist am besten durch ihr Diktum charakterisiert, sie lasse sich nicht wie ein "Schulmädchen" behandeln, ihre Qualifikation für den Aufsichtsratsposten stehe nicht infrage. "Mein Mann hat mich 2004 kennengelernt. Er hat mein Potenzial sofort erkannt und mich sechs Jahre auf meinen ersten Job als Geschäftsführerin vorbereitet", so Glock. "Ich halte es mit dem Bundeskanzler. Er hat gezeigt, dass man alles schaffen kann. Gestehen Sie mir das auch zu." Kurz kam sehr jung in die Politik und hat kein abgeschlossenes Studium.

Um es gleich vorwegzunehmen: Die Rechtsabteilung des mächtigen Waffenproduzenten ist nicht zimperlich, weshalb ich, anstatt mich jetzt in die Machenschaften der Weltfirma Glock zu vertiefen, der Einfachheit halber auf das hervorragende Paket des investigativen Magazins Dossier zu Glock verweise. In den sozialen Medien entspann sich in den vergangenen Tagen übrigens eine heftige Debatte darüber, ob die allgemeine Abneigung, die sich gegen Kathrin Glock nach ihrer Befragung Bahn brach, einen sexistischen Unterton habe. Ich persönlich hätte ja, ehrlich gesagt, gern ein paar Gramm mehr von Kathrin Glocks wirklich unfassbarer Chuzpe, und ihre Looks sind jetzt auch nicht so schlecht, wie man auf Instagram ausführlich besichtigen kann. Aber mein Arbeitgeber hat mein Potenzial erst nach einer Weile erkannt, und der Bundeskanzler leider nie. Was soll man machen. Immerhin habe ich jetzt ein paar mehr Ressourcen frei, um am Wochenende in der ORF-Mediathek den Dokumentarfilm "Weapon of Choice" (nur in Österreich abrufbar) über die Geschichte der Glock - und der Glocks zu sehen. Man lernt nie aus.

Diese Kolumne ist zuerst am 15. Januar 2021 im Österreich-Newsletter erschienen.

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