In Österreich sind die Koalitionsverhandlungen zwischen ÖVP, SPÖ und Neos gescheitert. Die Liberalen wollen nicht länger mit den Konservativen und den Sozialdemokraten über eine Dreierkoalition verhandeln, wie Parteichefin Beate Meinl-Reisinger ankündigte. Man werde die "Gespräche in der Rolle eines künftigen Regierungspartners nicht fortsetzen". Darüber habe sie die Verhandlungspartner Karl Nehammer (ÖVP), Andreas Babler (SPÖ) und den Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen am Morgen informiert.
Regieren sei kein Selbstzweck, sagte Meinl-Reisinger bei einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz. Sie ging vor allem auf die schlechte wirtschaftliche Lage ein und mahnte Reformen an. Die Liberalen hätten schon lange gesagt, dass „Österreich wird sparen müssen“. Die vergangenen Regierungen hätten ein massives Loch im Budget hinterlassen. Bei der Nationalratswahl im September habe sich die Bevölkerung gegen ein „Weiter so“ ausgesprochen, sagte die Neos-Chefin.
Wegen der Sparzwänge sei man „im Wissen, dass uns ein Arm am Rücken gebunden ist“, in die Koalitionsverhandlungen gegangen, so Meinl-Reisinger. Man müsse dafür Sorge tragen, dass die Wettbewerbsfähigkeit und der Wohlstand im Land wieder steigen. Österreich steckt in einer Wirtschaftskrise und muss gleichzeitig streng sparen, um die EU-Kriterien für finanzielle Stabilität zu erfüllen. Die Balance zwischen einem Sparkurs und Maßnahmen, die die Wirtschaft ankurbeln, gilt als Hauptaufgabe einer neuen Regierung.
In den letzten Tagen sei aber der Eindruck entstanden, sagte Meinl-Reisinger, dass in zentralen Fragen keine Fortschritte, „sondern eigentlich Rückschritte“ gemacht wurden. Sie sprach Budgetfragen und vor allem das Pensionseintrittsalter an. Dieses liegt bei 65 Jahren, die Neos wollen es erhöhen.
Die SPÖ hingegen lehnt das strikt ab. In der Partei herrsche Schockstarre, berichtet der Standard. Ein Verhandler habe gesagt, bei den letzten Verhandlungen am Donnerstagabend sei ein Austritt der Neos nicht absehbar gewesen. Die Ankündigung komme überraschend. Wie es nun weitergeht, ist unklar. Im österreichischen Parlament haben ÖVP und SPÖ zusammen gerade so eine absolute Mehrheit. Um diese abzusichern, wollten sie die Neos an der Koalition beteiligen.
Auch zwischen ÖVP und SPÖ ist die Stimmung offenbar alles andere als gut. Unmittelbar nach der Pressekonferenz von Meinl-Reisinger schob ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker den Sozialdemokraten die Verantwortung für das Scheitern der Gespräche zu. „Das Verhalten von Teilen der SPÖ hat zur aktuellen Situation geführt“, teilte er mit. Bei den Sozialdemokraten hätten rückwärtsgewandte Kräfte überhandgenommen.
Sollte es nicht gelingen, eine Koalitionsregierung zu bilden, könnte es in Österreich zu Neuwahlen kommen. Bei diesen könnte die rechte FPÖ erneut Stimmen hinzugewinnen. Sie war bereits im September stärkste Kraft geworden, allerdings wollte niemand mit FPÖ-Chef Herbert Kickl in der Regierung zusammenarbeiten. Jüngste Umfragen signalisierten ein weiteres großes Stimmen-Plus im Vergleich zur Nationalratswahl. Demnach könnte die FPÖ mit bis zu 40 Prozent rechnen.
Korrektur: In einer früheren Version dieses Artikels hieß es fälschlicherweise, das Renteneintrittsalter in Österreich liege bei 67 Jahren. Tatsächlich liegt es bei 65 Jahren für Männer, ab 2033 auch für Frauen. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.