Österreich:Koalition mit Rechten unerwünscht

Nach den Sozialdemokraten ist auch die neue Führung der Christsozialen gegen ein Bündnis mit FPÖ oder BZÖ. Die ÖVP durchzieht aber eine deutliche Trennlinie.

Michael Frank

Der designierte neue Vorsitzende der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) Josef Pröll, hat eine bedeutsame Weichenstellung vorgenommen: Er wird, so ließ er Partei und Öffentlichkeit wissen, die Fraktion im Nationalrat selbst führen.

Österreich: Sondierung in der Wiener Hofburg: Österreichs Präsident Heinz Fischer (l.) empfing vergangene Woche den designierten ÖVP-Chef Josef Pröll.

Sondierung in der Wiener Hofburg: Österreichs Präsident Heinz Fischer (l.) empfing vergangene Woche den designierten ÖVP-Chef Josef Pröll.

(Foto: Foto: Reuters)

Dieses Schlüsselamt hatte bislang der frühere Parteichef, Altbundeskanzler Wolfgang Schüssel, inne. Pröll will sich mit dieser Entscheidung freie Hand für die weitere personelle Umstrukturierung der Partei schaffen. Die Christsozialen hatten am vorletzten Sonntag bei der von ihnen selbst provozierten vorgezogenen Parlamentswahl mit etwa 26 Prozent ihr historisch schlechtestes Ergebnis erzielt.

Danach wurden Veränderungen an der Spitze unumgänglich. Landwirtschaftsminister Pröll war Favorit vieler Gruppen, darunter des Bauernbundes, aus dem er kommt.

Keine zwei Hardliner an der Spitze

Schüssel hatte jedoch versucht, neben dem Favoriten die Innenministerin Maria Fekter oder den Generalsekretär des Arbeiter- und Angestellten-Bundes, Werner Amon, als Nachfolger des gescheiterten Parteichefs und Vizekanzlers Wilhelm Molterer in Stellung zu bringen. Sein Versuch, damit zwei Hardliner an der Parteispitze zu etablieren, geriet daneben.

Die ständische Struktur der ÖVP verleiht den Repräsentanten ihrer Bünde besonderes Gewicht. Schüssel hatte darauf gehofft, Pröll werde von jenen in der Partei abgelehnt, die den Einfluss des Bauernbundes für überzogen halten. Für Schüssel, selbst ein Mann des mächtigen Wirtschaftsbundes, der bis zur Wahl noch als einflussreichster Funktionär der ÖVP gegolten hatte, dürfte nach dem Misslingen dieser Strategie keine bedeutsamere Position bei den Christsozialen mehr verfügbar sein.

Das wird auch auf die Koalitionsstrategie Auswirkungen haben. Schüssel galt als Förderer des Versuchs, wie im Jahr 2000 ein Bündnis mit der radikalen Rechten zu schmieden, die mit Heinz-Christian Straches FPÖ und Jörg Haiders BZÖ stimmenmäßig nur knapp hinter den führenden Sozialdemokraten liegt. Pröll gilt als Gegner eines neuen rechtsnationalistischen Bündnisses.

Gleichwohl führte er am Montag ein ausführliches Gespräch mit Strache, das aber nach beider Aussage keinerlei Festlegungen erbracht hat. Pröll will zunächst abwarten, wie der Meinungsbildungsprozess an der Basis verläuft.

Eine große Fraktion favorisiert die Neuauflage der Koalition mit den Sozialdemokraten (SPÖ) unter Werner Faymann. Die neue Personalspitze beider Parteien könne gewährleisten, dass so nicht ein neuer Grabenkrieg innerhalb einer Koalition entbrenne, in dem sich die alte Koalition aufgerieben hat.

Deutliche Trennlinie

Auch Josef Prölls Onkel Erwin Pröll, als Niederösterreichs Landeshauptmann einer der mächtigsten Männer der ÖVP, ist dieser Ansicht. Skeptischere Töne kommen etwa von Josef Pühringer, dem Landeshauptmann Oberösterreichs. Ohne sich selbst zu deklarieren, meinte er, eine Mehrheit der ÖVP-Basis würde sich eindeutig für die Opposition aussprechen, ließe man sie darüber abstimmen.

Die Christsozialen durchzieht eine deutliche Trennlinie: Während das Parteivolk die Opposition für eine angemessene Konsequenz aus der Wahlkatastrophe hält, ist die Funktionärsklasse für die Beteiligung an neuen Regierungsbündnissen, namentlich an der geschrumpften "großen" Koalition alter Prägung.

Schimpfkanonade gegen Bundespräsidenten

Landeshauptmann Pröll hat sich zu einer Schimpfkanonade gegen Bundespräsident Heinz Fischer hinreißen lassen. Er erklärte es für völlig unsinnig, nach der Wahl eineinhalb Wochen zu warten, bis ein Politiker mit der Regierungsbildung beauftragt wird.

Fischer hatte ausdrücklich erklärt, er werde erst dann einen Auftrag erteilen, wenn das endgültige Wahlergebnis feststehe. Erst am Montagabend waren alle Wahlkarten- und Briefwählerstimmen ausgezählt. Die lange Frist ist durch die Bestimmung im Briefwahlrecht entstanden, nach der die letzten Stimmbriefe erst eine Woche nach der Wahl eintreffen müssen.

Mit Fischers Auftrag wird für den heutigen Dienstag oder Mittwoch gerechnet. Er dürfte wohl an Faymann als den Chef der stärksten Partei ergehen. Faymann hat neuerlich ausgeschlossen, dass es eine Koalition seiner SPÖ mit FPÖ und/oder BZÖ geben könne.

SPÖ und ÖVP sowie SPÖ und FPÖ könnten jeweils im Duo eine Mehrheit erreichen, alle anderen Varianten brächten ein Dreierbündnis. Von der Auszählung der Briefstimmen wurde noch eine Verschiebung der Mandate erwartet, gegebenenfalls zu Gunsten der ÖVP und der Grünen.

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