Österreich:Kickl will mit ÖVP über eine Regierung verhandeln

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Herbert Kickl, Vorsitzender der FPÖ, bei seiner Pressekonferenz am Dienstag. (Foto: Lisa Leutner/Reuters)

Der Vorsitzende der extrem rechten FPÖ möchte österreichischer Bundeskanzler werden. Vom möglichen künftigen Koalitionspartner erwarte er Ehrlichkeit, sagt er: „keine Spielchen, keine Tricks, keine Sabotage, keine Quertreiberei“.

Der Vorsitzende der extrem rechten FPÖ in Österreich hat erstmals öffentlich bekundet, eine neue Koalitionsregierung bilden zu wollen. Er habe am Vortag die Frage des Bundespräsidenten, ob er daran überhaupt noch Interesse habe, bejaht, sagte Herbert Kickl bei einer Pressekonferenz am Dienstag. Angesichts guter Umfragewerte für seine Partei wäre es der bequemere Weg gewesen, dies zu verneinen und auf eine Neuwahl zu setzen. „Ich habe mich für den Weg der staatspolitischen Verantwortung entschieden“, nahm Kickl für sich in Anspruch. Er wolle „Österreich ehrlich regieren“.

Am Abend will Kickl nach eigenem Bekunden seinem Parteivorstand  vorschlagen, mit der konservativen ÖVP zu verhandeln; die hatte sich am Wochenende erstmals der FPÖ als Juniorpartnerin in einer Koalition angeboten. Auch wenn ihn viele „Warnungen“ erreicht hätten, dass die ÖVP ein falsches Spiel treibe und die FPÖ verraten wolle, sagte Kickl. Er wolle eine „Vertrauensbasis herstellen“ und strecke der ÖVP die Hand entgegen – wenn diese nun Vertrauen und Ehrlichkeit beweise: „keine Spielchen, keine Tricks, keine Sabotage, keine Quertreiberei“. Komme man mit der ÖVP nicht zusammen, gebe es Neuwahlen. „Wir sind dafür gerüstet“, sagte Kickl. Fragen ließ er bei der Pressekonferenz nicht zu.

Der Rechtspopulist hat am Montag von Bundespräsident Alexander Van der Bellen den Auftrag erhalten, mit der konservativen ÖVP eine Koalition zu bilden. Kickl, 56, könnte der erste extrem rechte Bundeskanzler des Landes werden. Die FPÖ hat die Parlamentswahl im September gewonnen, bei der sie knapp 29 Prozent der Stimmen holte. Die ÖVP kam auf etwa 26 Prozent; sie wäre dann – anders als bei gemeinsamen Regierungen in der Vergangenheit – Juniorpartnerin in einer blau-schwarzen Koalition.

Vergangene Woche waren Koalitionsverhandlungen zwischen der ÖVP und der sozialdemokratischen SPÖ ebenso gescheitert wie Dreiergespräche der beiden Parteien mit den liberalen Neos. Er habe das Scheitern prophezeit, sagte Kickl und sprach von „drei verlorenen Monaten“.

Bundeskanzler und ÖVP-Chef Karl Nehammer hatte am Samstag seinen Rücktritt angekündigt, der am kommenden Freitag erfolgen soll, wie er sagte. „Mein Ziel war es, Herbert Kickl als Bundeskanzler zu vermeiden, weil ich immer der Überzeugung und der Haltung war, dass das durch sein Amtsverständnis, wie er Politik lebt, nicht gut ist für unser Land“, sagte Nehammer. Dies sei ihm nicht gelungen in den Koalitionsverhandlungen.

Sein Nachfolger als geschäftsführender ÖVP-Chef, Christian Stocker, wird nun doch mit der FPÖ über ein Regierungsbündnis verhandeln. Gemeinsamkeiten haben beide Parteien in mehreren Fragen, etwa bei einem strikten Kurs zum Thema Einwanderung und Abschiebungen. Zudem plädieren beide Parteien für eine angebots- und wirtschaftsfreundliche Politik mit Steuersenkungen, müssten aber mit einer schwierigen Haushaltslage zurechtkommen. Kickl sagte mit Blick auf den Etat, das Land sei in den vergangenen fünf Jahren „an die Wand gefahren“ worden. Kritisch dürfte sein, dass die FPÖ Hilfen für die Ukraine ebenso ablehnt wie Sanktionen gegen Russland.

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