Süddeutsche Zeitung

Österreich-Kolumne:Auf ins Klimadesaster

Österreich ist meilenweit vom Erreichen der Klimaziele entfernt. Trotzdem kann sich die Regierung nicht auf verbindliche Gesetze einigen.

Von Leila Al-Serori

Manche Zahlen lassen einen verwundert zurück. Zum Beispiel die Zahl 97 709. So viele Menschen in Österreich haben sich ihren Gutschein für den Klimabonus nicht abgeholt. Also die 500 Euro Förderung verfallen lassen, mit denen der Staat die Folgen des im Oktober eingeführten CO₂-Preises abfedern will. Insgesamt soll es um Gutscheine im Wert von 48 Millionen Euro gehen. Wer verzichtet freiwillig auf so viel Geld in Zeiten von Inflation und abnormen Energiepreisen? Oder haben wirklich so viele nicht mitbekommen, dass es einen solchen Bonus gibt?

Das wäre sinnbildlich für die suboptimale Klimapolitik Österreichs. Nicht nur die Info zum Klimabonus erreichte möglicherweise viele nicht, auch die Treibhausgas-Emissionen sinken nur langsam; viel zu langsam, um die Klimaziele zu erreichen. Das hat das Österreichische Institut für Wirtschaftsforschung berechnet. Und das, obwohl mit den Grünen eigentlich höchste Kompetenz in der Regierung sitzen sollte.

Es geht wenig voran, weil es zwischen den Koalitionspartnern hakt. Seit zwei Jahren wird das geplante Klimaschutzpaket nicht umgesetzt. Zu groß ist der Widerstand der ÖVP, etwa bei den von Umweltministerin Leonore Gewessler als "Notbremse" geplanten automatischen Erhöhungen der Mineralölsteuer, wenn Klimaziele verfehlt werden.

Die Grünen wollen darauf nun verzichten, wenn zumindest die anderen Pläne umgesetzt werden: etwa das Gesetz mit verbindlicher Emissionsreduktion entsprechend den Pariser Klimaschutzzielen; auch um Strafzahlungen in Milliardenhöhe zu vermeiden. Bis 2030 soll der Nettoausstoß halbiert werden, zehn Jahre später will man bei null ankommen.

Zumindest gibt es ein bisschen Bewegung beim Thema erneuerbare Energie

Das wird schwierig, wie ein Blick in die Zahlen zeigt. Von 1990 bis 2018 haben sich die Treibhausgas-Emissionen in Österreich laut Europäischer Umweltagentur (EEA) kaum verändert, während andere Länder den Ausstoß deutlich reduzieren konnten. Nur im Jahr 2020 ist in der Statistik wegen der Pandemie ein Absinken verzeichnet. Der Rechnungshof bezifferte im Vorjahr die Kosten für Österreich, sollte es die Klimaziele verfehlen, mit neun Milliarden Euro im Jahr 2030.

Dennoch kann sich die Regierung nicht einigen. ÖVP-Klimasprecher Johannes Schmuckenschlager zufolge wäre es falsch, "Gesetze zu bauen, die bis in die Zukunft weitere Regierungen binden". Also besser erst mal gar nichts tun und sehenden Auges die Klimaziele des Pariser Abkommens und der EU verfehlen?

Etwas Bewegung gibt es zumindest beim Thema erneuerbare Energien, sogar Tirol erwägt nun den Bau mehrerer Windparks.

Wie zwiegespalten die Regierung handelt, zeigt sich bei der Pendlerpauschale, die sie erst kürzlich erhöht hat. Dabei gilt sie ja als eine der größten umweltschädlichen Subventionen im Verkehr überhaupt.

Zumindest einer steigt bisher gut bei der Klimapolitik der Bundesregierung aus: der französische Konzern Sodexo, der die Gutscheine für den Klimabonus abwickelte und damit etwa 21 Millionen Euro verdient haben soll.

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