Es ist eine der Wesensarten der österreichischen Kultur, dass das Zeitalter der Aufklärung nach Überzeugung vieler Historiker eher eine Episode blieb. Vielleicht wird die heimische Politik deshalb von Kabarettisten und Satirikern nicht nur kommentiert, sondern oft auch maßgeblich vorangetrieben.
Der große Autor und Zyniker Karl Kraus etwa hat die Schwächen der Ersten Republik brutal offengelegt. Nach dem Krieg waren es unter anderen Künstler und Kabarettisten wie Helmut Qualtinger, Gerhard Bronner oder Georg Kreisler, die die Zweite Republik in ihrer Borniertheit und NS-Nostalgie bloßstellten.
Ein Kabarettist im Parlament
Klare Worte kommen auch heute weit eher aus dem Kabarett als aus Parlamenten. Die legendäre Lesung der Abhörprotokolle von Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser 2011 („Da bin ich jetzt supernackt“) rockte die Republik ebenso wie später diverse künstlerische Überformungen von Chatprotokollen aus der Regierung Kurz. Der Kabarettist Rolf Holub saß für die Grünen im Kärntner Parlament und half bei der Aufarbeitung der Mega-Affäre um die Hypo Alpe Adria Bank; die „Staatskünstler“ Florian Scheuba, Thomas Maurer und Robert Palfrader sind auch Rechercheure politischer Skandale.
Das macht Spaß beim Zuschauen, weil der Stoff in Österreich nun wirklich niemals ausgeht. Aber es ist auch sehr deprimierend – weil es zugleich zeigt, wie wenig transparent und selbstkritisch Parteien und Regierende oft agieren.
Nun will der PR-Berater und, jawohl, Kabarettist Rudi Fußi die SPÖ übernehmen, weil er findet, der SPÖ-Chef Andreas Babler könne es nicht. Der sitzt aber gerade in Koalitionsverhandlungen mit der ÖVP und den Neos – und braucht einen Machtkampf wie ein Loch im Kopf. Fußi ist allerdings schon jetzt mehr Politiker als Kabarettist, wenn er sich auf die Frage, warum er so heftig von der Seitenlinie hineingrätsche, auf den einstigen SPÖ-Vorsitzenden und Antifaschisten Karl Seitz beruft. Der habe auch schon gesagt: „Eure Kritik reicht mir nicht bis zu den Knöcheln.“
Was mich wiederum direkt zu einem SPÖ-Politiker bringt, der unfreiwillig vor allem Kabarettist ist: Georg Dornauer. Der Name wird deutschen Lesern wenig sagen, und der Tiroler wird auch immer nur eine eher absurde Randnotiz in der politischen Geschichte des Landes bleiben. Aber es spricht schon für sich, dass einer Parteivorsitzender und sogar Landeshauptmann-Stellvertreter in Tirol werden kann, der im Wesentlichen mit sexistischen Sprüchen Schlagzeilen macht. Oder mit seiner Beziehung (samt schwülstigen Social-Media-Fotos) zu der italienischen Postfaschistin Alessia Ambrosi. Oder mit einem geladenen Gewehr im offenen, unbewachten Porsche. Danach wurde über den Hallodri Dornauer ein Waffenverbot verhängt. Immerhin.
Anfang der Woche ist nun ein Foto aufgetaucht, auf dem Dornauer mit dem gescheiterten Unternehmer René Benko zu sehen ist. Auf der Jagd. Mit einem toten Hirsch. Und einem Hut, den traditionell der trägt, der das Tier erlegt hat. Erst hat Dornauer alles bestritten. Dann hat er nicht geschossen. Dann war es nicht sein Hut. Zum Schluss ist er nicht zurück-, sondern, wie Sebastian Kurz im Herbst 2021, „zur Seite“ getreten. Er will zwar nicht mehr Parteivorsitzender und Landeshauptmann-Stellvertreter sein, Abgeordneter bleibt er natürlich trotzdem; auf die schönen Diäten möchte er offenbar nicht verzichten. Am Freitag wurde nun bekannt, dass ein Ermittlungsverfahren gegen ihn eingeleitet werden soll, wegen mutmaßlichen Verstoßes gegen das Waffenverbot.
Geständnisse am Würstelstand
So viel zur SPÖ. Die FPÖ hat natürlich auch ihre Intrigen und Ignoranten. Gegen Parteichef Herbert Kickl ermittelt jetzt die Staatsanwaltschaft wegen Falschaussage vor einem Untersuchungsausschuss. Seine Partei sieht darin ausschließlich ein „politisches Manöver, um der FPÖ zu schaden“. Was sonst sollte Ermittler auch antreiben ... Kickl ist für Kabarettisten leider schwere Kost; er erinnert mich immer an den Helden des wunderbaren Buches „Eine Nacht, Markowitz“ von der israelischen Autorin Ayelet Gundar-Goshen. Ihr Held hat ein Gesicht, das so unscheinbar und gewöhnlich ist, dass es sich niemand merken kann. Markowitz ist das bisweilen sehr nützlich.
Und dann ist da noch der Finanzskandal der Grazer FPÖ, der seit 2021 schwelt und viele Absonderlichkeiten, Absurditäten, Geständnisse am Würstelstand, sonderbare Anschaffungen und einige Unverschämtheiten enthält. Bis heute ist er juristisch nicht aufgearbeitet.
In einer Woche wird in der Steiermark gewählt. Trotz der mutmaßlichen Veruntreuung von etwa 1,8 Millionen Euro Steuergeld zieht die FPÖ in Umfragen gerade davon. Ich werde Sie, großes Ehrenwort, kommende Woche im Detail darüber aufklären, was da los ist. Bis dahin wünsche ich Ihnen ein schönes Wochenende mit abgeklärten Menschen. Vielleicht gehen Sie ins Kabarett und lassen sich die Welt erklären. Das tut immer gut.
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