MeinungÖsterreich:Der Machtpoker um eine neue Regierung wird noch länger dauern

Kolumne von Martin Langeder

Lesezeit: 2 Min.

Am Montag bittet Bundespräsident Alexander Van der Bellen die Parteichefs von FPÖ, ÖVP und SPÖ erneut zu Einzelgesprächen in die Hofburg. (Foto: Georg Hochmuth/dpa)

Drei Wochen nach der Wahl in Österreich ist nur eines klar: Niemand will mit dem Wahlsieger eine Regierung bilden. Wie es jetzt weitergeht.

Die dritte Woche nach der Nationalratswahl geht zu Ende. Und bislang steht nur eines fest: Keine Partei will mit den erstplatzierten Freiheitlichen eine Koalition eingehen – zumindest vorerst. Immerhin haben Herbert Kickl (FPÖ), Karl Nehammer (ÖVP) und Andreas Babler (SPÖ) mittlerweile jeweils miteinander gesprochen, an geheim gehaltenen Orten. Um anschließend öffentlich jeder für sich die schon vorher bekannten Positionen erneut darzulegen.

Ungewohnt treuherzig gab sich dabei Kickl bei seinen Überlegungen zur Regierungsbildung, wie Cathrin Kahlweit hier in ihrer Analyse mit dem Titel „Wenn der Sieger betteln muss“ schreibt. Er legte bei seinem Statement einen sogenannten Fahrplan für Sondierungsgespräche mit der Volkspartei vor. Dafür ließ er in einem Terminkalender in bunten Farben Zeitfenster für die nächsten Wochen einzeichnen, um über „Wirtschaft und Standort“, „Asyl und Zuwanderung“ oder „Demokratie und Medien“ zu sprechen.

Allerdings hat sein Counterpart bei der ÖVP, Noch-Kanzler Nehammer, kein Interesse daran, sich weiter mit Kickl zu treffen. Er gab zu Protokoll, dass er zu seinem Wort vor der Wahl stehen würde. Er werde „nicht den Steigbügelhalter“ für einen Kanzler Kickl machen. Und auch SPÖ-Obmann Babler bekräftigte, dass mit der FPÖ in einem demokratischen Staat keine Regierung zu machen sei, unabhängig davon, wer die Partei führt.

Wie es weitergeht, dürfte auch von den Bundesländern abhängen. Zum einen tief im Westen, wo es jetzt schnell gehen könnte. Nach der Landtagswahl in Vorarlberg am vergangenen Sonntag werden ÖVP (38,3 Prozent, minus 5,23 Prozentpunkte) und FPÖ (28 Prozent, plus 14,1 Prozentpunkte) über eine Regierung verhandeln. Die dann vierte schwarz-blaue Koalition auf Länderebene nach Oberösterreich, Niederösterreich und Salzburg scheint nur Formsache zu sein.

Zum anderen bleibt abzuwarten, wie am 24. November die Wählerinnen und Wähler in der Steiermark abstimmen werden. Hier könnte die FPÖ erstmals bei einer Landtagwahl auf dem ersten Platz landen und die ÖVP auf Platz zwei verweisen. Sollte der Machtpoker in Wien bis dahin noch nicht entscheidend fortgeschritten sein, könnte er eine neue Dynamik bekommen. 

Zunächst ist wieder Bundespräsident Alexander Van der Bellen gefragt. Er wird am Montag erneut die Parteichefs von FPÖ, ÖVP und SPÖ nacheinander zu sich in die Hofburg bitten. Ob das Staatsoberhaupt nach den Gesprächen einen Auftrag zur Regierungsbildung erteilen wird? Bleiben Sie dran!

Eine feste Frist, bis wann eine Koalition stehen muss, gibt es auf Bundesebene nicht. Am längsten dauerte es bislang 1962, damals verhandelten ÖVP und SPÖ 129 Tage. Bis zur ersten schwarz-blauen Bundesregierung im Jahr 2000 vergingen 124 Tage zwischen Wahltag und Angelobung – damals stellte nicht die Partei mit den meisten Stimmen den Kanzler, sondern die drittplatzierte ÖVP.

Diese Kolumne erscheint auch im Österreich-Newsletter, der die Berichterstattung der SZ zu Österreich bündelt. Gleich kostenlos anmelden.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusMeinungDemokratie
:Österreich ist ein Irrgarten geworden, voller Brandmauern gegen die Vernunft

Gastkommentar von Hosea Ratschiller

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: