MeinungÖsterreich:Ex-Minister Grasser steht wegen mutmaßlichen Korruptionsfalls vor Gericht

Portrait undefined Verena Mayer

Kolumne von Verena Mayer, Wien

Lesezeit: 2 Min.

Muss er ins Gefängnis? Karl-Heinz Grasser, heute 56 Jahre alt, muss sich für mögliche Verbrechen in seiner Amtszeit als Finanzminister verantworten. (Foto: Georg Hochmuth/AFP)

Zu jung. Zu schön. Zu korrupt? Der frühere Finanzminister Karl-Heinz Grasser soll beim Verkauf staatlicher Wohnungen Provisionen kassiert haben.

Österreich hat im Lauf seiner Geschichte ja schon einige große Korruptionsskandale erlebt. Der Korruptionsfall, der gerade vor dem Obersten Gerichtshof (OGH) in Wien verhandelt wird, sprengt jedoch sämtliche Dimensionen. Denn es geht dabei nicht nur um Millionen, die dem Staat entzogen wurden, sondern es steht auch ein hochrangiger Ex-Politiker im Mittelpunkt: der frühere Finanzminister Karl-Heinz Grasser, einer der beliebtesten Politiker seiner Amtszeit in den Nullerjahren. Regelmäßiger Gast in deutschen Talkshows und seit seiner Hochzeit mit der Kristall-Erbin Fiona Swarovski auch Gegenstand der Society-Berichterstattung. Einer, der viel werden wollte und sollte in Österreich.

Seit Donnerstag sitzt Grasser zusammen mit seinem Trauzeugen und drei weiteren Männern auf der Anklagebank im Wiener Justizpalast. Grasser soll unter anderem beim Verkauf von 60 000 staatseigenen Wohnungen mitgeschnitten haben, indem Teile der Provision für den Immobiliendeal auf einem ihm zugeordneten Konto landeten. Grasser, der die Vorwürfe bestreitet, wurde bereits Ende 2020 von einem Gericht zu acht Jahren Haft wegen Untreue und Geschenkannahme durch Beamte verurteilt. Dieser Tage entscheidet sich nun, ob das Urteil rechtskräftig wird und ein früherer Finanzminister für längere Zeit ins Gefängnis muss.

Vor dem Obersten Gerichtshof geht es um Rechtsfragen, darum, ob im Verfahren alles fair gelaufen ist. Die Verteidiger der Angeklagten bestreiten das, sie sprechen von Vorverurteilung und kritisieren die lange Verfahrensdauer, die ersten Vorwürfe waren schon 2009 aufgetaucht. Aber es geht auch um eine politische Ära und das Erbe der ersten Regierungsbeteiligung der rechten FPÖ.

Grasser war einer der Jungpolitiker, die im Fahrwasser des Rechtspopulisten Jörg Haider Karriere machten. Mit seinem jugendlichen Charme und ordentlich Selbstbewusstsein (angesichts der Korruptionsvorwürfe verlas Grasser mal in einer Talkshow den Brief einer Verehrerin, die fand, er werde von der Justiz gejagt, weil er „zu jung, zu intelligent, zu schön“ sei) schaffte er es 2000 mit gerade mal 31 Jahren in ein Ministeramt. Es waren die goldenen Jahre vor der Finanzkrise, die Zeit, in der man nach dem Motto „Mehr privat, weniger Staat“ Politik machte. Es gab viel zu privatisieren in jenen Jahren, unter anderem Zehntausende Wohnungen der Bundeswohnbaugesellschaft (Buwog).

Grassers Ressort sollte den Verkauf abwickeln, mehrere Unternehmen gaben Angebote ab. Den Zuschlag bekam für rund eine Milliarde Euro ein Konsortium, das gerade mal eine Million mehr geboten hatte als die Konkurrenz. Der Verdacht: Das Konsortium hatte einen Tipp bekommen, und zwar direkt aus dem Finanzministerium. Als Gegenleistung sollen sowohl für Leute in Grassers Umfeld als auch an ihn selbst insgesamt 9,6 Millionen an Provisionen geflossen sein. Auch in zwei weitere Korruptionsaffären, die vor dem OGH verhandelt werden, sollen Grasser und sein Umfeld verwickelt sein.

Ob und wie lange der frühere „Schwiegermutter-Liebling der Nation“, wie es Grassers Verteidiger ausdrückte, nun tatsächlich ins Gefängnis muss, wird sich zeigen. Fest steht aber jetzt schon, dass die Befürchtungen von damals, mit der rechten bis extrem rechten FPÖ werde die Zeit der sogenannten Dritten Republik anbrechen, zumindest in einer Hinsicht unbegründet waren. Es begann nämlich die Zeit der korrupten Republik.

Diese Kolumne erscheint auch im Österreich-Newsletter, der die Berichterstattung der SZ zu Österreich bündelt. Gleich kostenlos anmelden.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Karl-Heinz Grasser
:Acht Jahre Haft für Österreichs Ex-Finanzminister

Früher war Karl-Heinz Grasser Mitglied von Jörg Haiders "Buberlpartie" und bekannt für sein glamouröses Leben. Nun wurde er in einem der größten Korruptionsprozesse Österreichs schuldig gesprochen.

Von Leila Al-Serori

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: