Österreich:Kanzler Machiavelli

Platzt die große Koalition in Wien? Der SPÖ würde es wohl nützen.

Von Cathrin Kahlweit

Seit einer Woche tagen in Wien die Spitzen der Regierungsparteien, es ist ein gut inszeniertes Schauspiel voller Drohungen, Ultimaten, Ausstiegsszenarien. Der SPÖ-Kanzler gibt den Machiavelli, der ÖVP-Innenminister den Sprengmeister. Die Nation ergeht sich derweil in wilden Mutmaßungen über die wahren Beweggründe des epischen Showdowns - und wartet auf den Knalleffekt.

Offiziell soll nur ein Arbeitsprogramm für die zweite Hälfte der Legislatur festgeklopft werden. Aber dahinter stecken komplizierte mathematische Rechnungen voller Unbekannter: Wer hat den größeren Nutzen, wenn jetzt die Koalition platzt? Kann Kanzler Christian Kern seine aktuelle Stärke in ein gutes Wahlergebnis retten? Ist sein "Plan A", vor zwei Wochen präsentiert und in seiner inhaltlichen Fülle eine Lehrstunde für die programmatisch ausgeblutete ÖVP, ein Plan Aufstieg für Österreich oder ein Plan Ausstieg?

Die SPÖ und ihr starker Kanzler haben in diesem Kräftemessen die besseren Karten. Die ÖVP kann eigentlich nicht anders, als "Nein" zu sagen zu den Angeboten der Sozialdemokraten. Geht sie mit Kerns "Plan A" mit, gibt sie das letzte bisschen Eigenprofil auf. Tut sie es nicht, stirbt sie nach einer vorgezogenen Wahl den stillen Tod neben der FPÖ. Gibt es am Ende doch eine Vereinbarung, kann Kern sagen, er habe die Koalition gerettet. Und gerade mal spricht niemand über die FPÖ. Wenn auch nur für ein paar Tage.

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