Österreich:Ein neuer Kronzeuge in der Inseraten-Affäre

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Freundschaft währt nicht ewig: Kronzeuge Thomas Schmid (rechts) und Ex-Kanzler Sebastian Kurz stehen jetzt auf verschiedenen Seiten. (Foto: Roland Schlager/dpa)

Dem ehemaligen Kurz-Kumpel Thomas Schmid wird in der Inseraten-Affäre der Kronzeugenstatus bewilligt. Endlich.

Kolumne von Cathrin Kahlweit

Nach zwei Jahren ist nun eingetreten, worauf so viele Menschen in Österreich gewartet haben: nein, nicht Frieden in der SPÖ und auch nicht Frieden auf Erden. Sondern die Bewilligung des Kronzeugenstatus für Thomas Schmid.

Für Nicht-Österreicher, die sich irgendwann mit dem ratlosen Gefühl von ihrem Ferien- oder Studienland abgewandt haben, dass sie den Korruptionsskandalen und dazugehörigen Untersuchungsausschüssen längst nicht mehr folgen konnten, hier eine kurze Zusammenfassung: Denn nach Ibiza begannen diverse Ermittlungen gegen Menschen aus der FPÖ und der ÖVP sowie gegen die ÖVP selbst.

Eine davon mündete in der Inseraten-Affäre – also Steuergeld für positive Berichterstattung. Zwei Männer waren hier und anderswo mittelbar oder unmittelbar fast immer dabei: der damalige Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP), mittlerweile wegen Falschaussage erstinstanzlich verurteilt und in der Inseraten-Affäre als Nutznießer beschuldigt. Und Thomas Schmid, der Mann im Schatten, von dem es kaum Fotos gibt (außer sehr viele auf seinem von den Ermittlern ausgewerteten Handy, aber die wollen Sie nicht sehen). Er war Generalsekretär im Finanzministerium, später Vorstandschef der Staatsholding Öbag. Und Buddy in einer Chatgruppe von Regierungsmitarbeitern und Ministern, die Kurz letztlich, aber wirklich nur letztlich, das Amt kostete, auch wenn er bis heute überzeugt ist, ihm sei der nächste Wahlsieg schon damals gestohlen worden.

Schmid glaubte lange, in der österreichischen Form von „House of Cards“ (House of Chats wäre auch nett) als Freund von Kurz gecastet und besetzt worden zu sein. Er half – laut seiner vor den Ermittlern ausführlichen Aussage, die, weil offenbar für glaubwürdig befunden, nun mit dem Kronzeugenstatus geadelt wurde – der Truppe um seinen Kanzler bei diversen Malversationen und Manipulationen. Er fühlte sich sicher – als Kumpel, aber auch als Handlanger und Komplize seines Herren.

Prozess gegen ÖVP-Spitzenleute

Aber Freundschaft währt nicht ewig, zumal wenn die Justiz einem im Nacken sitzt und eine Haftstrafe droht. Schmid ging zur Staatsanwaltschaft, legte sein gesammeltes Wissen über die Ära Kurz auf den Tisch, beantragte für sich selbst den Kronzeugenstatus – und ist nun nach Zahlung einer hohen Geldstrafe nur noch das, was das Wort ja auch besagt: Zeuge. Und eben nicht mehr Mittäter und Mitbeschuldigter.

Der Rechtsanwalt von Schmid, Roland Kier, schreibt in einem zuversichtlichen und besonders woken Anschreiben an den „Sehr geehrter Herr Redakteurin“ (also in diesem Fall an mich), dass es der Rechtsstaat offenbar jetzt ernst meine „mit der Korruptionsbekämpfung. Auch Regierungskriminalität wird in Österreich effektiv verfolgt und die Zusammenarbeit mit den Strafverfolgungsbehörden gewürdigt“.

Und der verehrte Kollege Florian Klenk vom Falter schreibt, die Justizministerin Alma Zadić setze – als politisch verantwortliche Ministerin – mit der Entscheidung, Schmid den Kronzeugenstatus zuzuerkennen, ein „letztes, wichtiges“ Signal. Sie gebe damit grünes Licht für einen Prozess gegen Spitzenleute der ÖVP.

Riesiges Verfahren erwartet

Zadić bekommt in den nächsten Tagen ihr zweites Kind, wäre aber auch sonst raus aus dem Job, weil die Grünen kaum in der nächsten Bundesregierung sitzen dürften, über die gerade verhandelt wird. Eben deshalb schreibt Klenk von einem „letzten, wichtigen Signal“.

Wann der Prozess in der Inseraten-Affäre losgeht, steht dennoch in den Sternen. Wenngleich die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft nach dieser Entscheidung sicher zuversichtlicher in die nächste Runde der Ermittlungen geht. Da sich der US-amerikanische Rechtsstaat als unfähig erwiesen hat, einen Ex-Präsidenten vor seiner Wiederwahl tatsächlich konsequent strafrechtlich zu verfolgen – und nun erstmals ein verurteilter Straftäter im Weißen Haus sitzt –, wäre es aber schön, wenn die Mühlen der Justiz in Österreich effektiver mahlen könnten.

Vielleicht kann bis zum Beginn des nächsten Verfahrens in Wien ja auch irgendjemand Sebastian Kurz erklären, dass es nicht hilfreich ist, wenn man zur Untermauerung der eigenen, ohnehin wackeligen Position zwei dubiose russische Zeugen anschleppt, die keine Befragung überleben, sich in Widersprüche verwickeln und wie zwei Lachnummern auf Beinen wirken. Das hatte Kurz beim Prozess wegen Falschaussage getan. Comedy pur.

Sollte in der Inseraten-Affäre tatsächlich Anklage erhoben werden, wird das ein riesiges Verfahren sein, mit Medienmanagern, Meinungsforschern, Regierungs- und ÖVP-Mitarbeitern. Die Marktforscherin Sabine Beinschab etwa, die längst zugegeben hat, Umfragen manipuliert und damit part of the deal gewesen zu sein, besitzt den Kronzeugenstatus nämlich auch – und das schon seit Längerem.

Die nächste Justizministerin wird hoffentlich nicht von der ÖVP gestellt. Das wäre jetzt ein, siehe oben, schlechtes, erstes Signal für eine neue Regierung, die, so die Ankündigung, endlich mal was anders machen will. Es wird Zeit.

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