Österreich-Kolumne:Absurde Angelegenheit

Österreich-Kolumne: An Impfmöglichkeiten mangelt es nicht in Österreich, etwa im Impfbus auf dem Wiener Naschmarkt.

An Impfmöglichkeiten mangelt es nicht in Österreich, etwa im Impfbus auf dem Wiener Naschmarkt.

(Foto: Alex Halada/imago images)

Der Weg zur Impfpflicht in Österreich ist mit Seltsamkeiten und Ausnahmen gepflastert. Warum Deutschland genau hinschauen sollte.

Von Leila Al-Serori

Kennen Sie den schönen Begriff "eine österreichische Lösung"? Damit werden in Österreich Kompromisse tituliert, die nicht Fisch, nicht Fleisch sind; ein bisserl streng, aber eben nur ein bisserl, um niemanden dauerhaft zu verärgern. Positiv gesehen ist sie also das Ergebnis eines Kompromisses - oder, wenn man es nicht so gönnerhaft sehen möchte, das Ergebnis von Entscheidungsschwäche. Die allgemeine Corona-Impfpflicht in Österreich ist das aktuellste Beispiel dafür.

Der Weg zu ihrer Umsetzung ist mit Seltsamkeiten gepflastert, die sich eigentlich nur darauf zurückführen lassen, dass sich die Politik nicht sicher zu sein scheint, ihr Gesicht zu wahren versucht, ja keinen Fehler zugeben mag - und es sowieso jedem recht machen möchte.

In der Praxis sieht das nun so aus: Als Ungeimpfter begeht man wegen seiner Ungeimpftheit ein strafbares Vergehen - darf aber getestet wieder ins Restaurant. Denn seit Samstag ist die allgemeine Corona-Impfpflicht in Kraft. Und von kommender Woche an gilt im ganzen Land, mit Ausnahme der vorsichtigeren Bundeshauptstadt Wien, wieder die 3-G-Regel in der Gastronomie.

"Füße still halten, ruhig Blut."

Nicht weniger seltsam ist, dass das Gesetz erst von Mitte März an wirklich Konsequenzen haben wird. Die Polizei kann erst dann den Impfnachweis prüfen und gegebenenfalls einen Verstoß anzeigen. Zu einem automatischen Datenabgleich, um Ungeimpfte zu eruieren, kommt es laut Gesetz überhaupt zu einem noch späteren Zeitpunkt, der noch gar nicht fixiert ist. Da überrascht es wenig, dass die Impfquote zuletzt nicht mehr wirklich gestiegen ist.

Insgesamt ist die Impfpflicht mittlerweile eine reichlich absurde Angelegenheit. Angesichts stabiler Zahlen in den Krankenhäusern wird sie auch immer unbeliebter - auch bei den Landeshauptleuten, also den Ministerpräsidenten in den Bundesländern. Die Verhältnismäßigkeit solle überprüft werden, heißt es aus Kärnten. Salzburg will die Eignung infrage stellen. Das Burgenland sieht sogar eine Sackgasse, in die sich die Bundesregierung mit der Impfpflicht manövriert habe.

Niederösterreich ruft nach der Wissenschaft, die ein klares Meinungsbild abgeben müsse, ob das Gesetz noch sinnvoll sei. Wien hingegen will keinen Zickzackkurs: "Ich glaube nicht, dass wir dem Hobby frönen sollten, ständig zu hinterfragen, was wir gerade entschieden haben", sagt SPÖ-Gesundheitsstadtrat Peter Hacker.

Und wie reagiert die türkis-grüne Bundesregierung? "Füße still halten, ruhig Blut", erklärt die grüne Klubchefin Sigrid Maurer.

In Deutschland geht es kaum besser zu

Wer die aktuelle Debatte um die Impfpflicht in Deutschland verfolgt, muss allerdings zugeben, dass es hier kaum besser zugeht. Mit einem Unterschied: In der Bundesrepublik wird das Aus der Impfpflicht schon diskutiert, bevor sie überhaupt verabschiedet wurde. Die Bundestagsdebatte wurde auf Mitte März verschoben, da die zu diskutierenden Gesetzesentwürfe noch nicht vorliegen. Und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder lässt sogar die bereits beschlossene einrichtungsbezogene Impfpflicht aussetzen. Die Zeichen mehren sich also, dass das Gesetz nicht so bald kommen wird.

Vielleicht ist das mit Blick auf Österreich, die dortigen Hürden und Absurditäten, aber auch besser so. Das Hauptmerkmal der österreichischen Lösung ist ja schließlich vor allem eines: dass sie österreichisch ist.

Diese Kolumne erscheint am 11. Februar 2022 auch im Österreich-Newsletter, der die Berichterstattung zu Österreich in der SZ bündelt. Hier kostenlos anmelden.

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