Süddeutsche Zeitung

Ibiza-Affäre:Van der Bellen setzt Minister Blümel unter Druck

Österreichs Finanzminister stellt dem Ibiza-Untersuchungsausschuss weitere Akten zur Verfügung - nachdem der Bundespräsident ihn an die Verfassung erinnert hat. Ein einzigartiger Vorgang in der Geschichte des Landes.

Von Alexandra Föderl-Schmid

Plötzlich ging alles ganz schnell: Am Donnerstag hatte zur Mittagszeit der österreichische Bundespräsident Alexander Van der Bellen in der Wiener Hofburg eine spontane Pressekonferenz einberufen, am späten Nachmittag wurden dann beim Parlament 30 Umzugskartons mit 204 Ordnern abgegeben. Die Unterlagen kamen aus dem Finanzministerium, das am Abend mitteilte, man sei der Aufforderung "selbstverständlich" und "vollumfänglich" nachgekommen.

Vorausgegangen war eine Erklärung des Bundespräsidenten über einen Vorgang, den es, so Van der Bellen, "in dieser Form in unserem Land noch nicht gegeben hat". Der Verfassungsgerichtshof hat beim Bundespräsidenten eine Exekution einer Anordnung bei einem Regierungsmitglied beantragt. Monatelang hatte sich Finanzminister Gernot Blümel geweigert, dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss, der sich seit mehr als einem Jahr mit der "mutmaßlichen Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung" beschäftigt, Akten auszuliefern. Oppositionsparteien hatten sich daraufhin an den Verfassungsgerichtshof gewandt, der am 3. März entschieden hatte, das Material müsse übergeben werden. Aber es geschah nichts.

Nach zwei Monaten forderten nun die obersten Verfassungsrichter des Landes das Staatsoberhaupt auf, die Herausgabe der Dokumente zu erzwingen. Sie verwiesen dabei auf die Bundesverfassung: Artikel 146 Absatz 2 sieht vor, dass der Bundespräsident eine Exekution durchsetzen könne - was aber bisher noch nie seit der Verabschiedung der Bundesverfassung 1920 zur Anwendung gekommen ist. Möglich wäre sogar ein Einschreiten des Bundesheeres, dessen oberster Befehlshaber in Österreich der Bundespräsident ist.

Die Truppen in Bewegung zu setzen, war dann doch nicht nötig. Ein Anruf von Van der Bellen bei Finanzminister Blümel und die öffentliche Ermahnung, dass sich an die Verfassung und die davon abzuleitenden Regeln alle zu halten hätten, erzielten Wirkung. Binnen weniger Stunden wurden die Unterlagen mit einem weißen Lieferwagen vom Ministerium ins Parlament befördert.

Die Opposition kritisiert die Geheimhaltung

Allerdings in der höchsten Geheimhaltungsstufe 3, was wiederum die Opposition auf den Plan ruft. Damit dürfen die Dokumente nicht in öffentlicher Sitzung zitiert werden. Damit soll verhindert werden, dass der Inhalt bekannt wird, vermutet die Fraktionschefin der liberalen Neos-Partei im Ausschuss, Stephanie Krisper. Ihr Kollege von der SPÖ, Kai Jan Krainer, sprach von einem "Maulkorb" und kündigte an, sich wegen der Geheimhaltungsstufe an den Bundespräsidenten zu wenden.

Wolfgang Peschorn, als Leiter der Finanzprokuratur der Anwalt der Regierung, kündigte in der Nachrichtensendung "ZIB 2" an, dass die Geheimhaltungsstufe Verhandlungssache sei. Wie es das Gesetz vorsieht, kann sich auch jedes Mitglied des Untersuchungsausschusses wegen der Einstufung an den Nationalratspräsidenten wenden. Das ist Wolfgang Sobotka, der aber, so wie Kanzler und Finanzminister, der ÖVP - Parteifarbe Türkis - angehört und überdies Vorsitzender dieses Untersuchungsausschusses ist. Die Opposition klagt, dass unter seinem Vorsitz die Aufklärungsarbeit behindert werde. Als es im Ausschuss um Zahlungen des von ihm geleiteten parteinahen Alois-Mock-Instituts ging, legte Sobotka nur vorübergehend den Vorsitz nieder. Gegen Blümel wird überdies wegen Bestechlichkeit ermittelt, bei einer Hausdurchsuchung wurde Material beschlagnahmt.

In Wien wird nun über den Inhalt der vom Finanzministerium unter Druck übermittelten Dokumente spekuliert. Denn angefordert waren unter anderem Korrespondenzen von Mitarbeitern mit dem damaligen Generalsekretär im Finanzministerium, Thomas Schmid. Öffentlich bekannt gewordene Chat-Nachrichten mit Küsschen-Emojis, die zwischen Schmid, Blümel und Kanzler Sebastian Kurz ausgetauscht worden waren, hatten jüngst Aufsehen erregt. Schmid war 2019 zum Chef der neu geschaffenen Öbag bestellt worden, die die milliardenschweren Beteiligungen des Bundes verwaltet. Kanzler Kurz hatte ihm zuvor geschrieben: "Kriegst eh alles, was Du willst." Schmid antwortete, er sei so glücklich: "Ich liebe meinen Kanzler." Und Blümel schrieb von einer "Schmid AG", die da gezimmert wurde - ein Job, der mit bis zu 650 000 Euro dotiert ist.

Der Verfassungsgerichtshof berät kommende Woche auch über das Vorgehen des Bundeskanzlers, der ebenfalls dem parlamentarischen Kontrollgremium Material verweigert hat. Nach einer Aufforderung durch den Verfassungsgerichtshof befand Kurz, er habe bereits alle relevanten Unterlagen übergeben. Nach dem Hinweis, dass über die Relevanz von Unterlagen der Ausschuss zu entscheiden habe, übermittelte Kurz exakt 692 Mails von Mitarbeitern im Kanzleramt. Sie alle versicherten, in einem "umfassenden Suchprozess" hätten sie keinerlei "abstrakt relevante Akten und Unterlagen" gefunden.

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