Österreich:"Höchst fragwürdiger Umgang"

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Prominente kritisieren in einem offenen Brief die Regierung Oberösterreichs: Diese tue zu wenig gegen die steigende Zahl rechtsextremer Straftaten.

Von Peter Münch, Wien

Im Visier von Neonazis: der jüdische Friedhof in Linz. (Foto: oh)

Mit einem Aufruf zum stärkeren Kampf gegen Rechtsextremismus haben sich fast hundert prominente Persönlichkeiten an die Regierung Oberösterreichs gewandt. Dort würden "seit Jahren die meisten rechtsextremen Straftaten aller Bundesländer begangen", heißt es in einem offenen Brief an den Landeshauptmann Thomas Stelzer von der ÖVP. Initiiert wurde das Schreiben vom Mauthausen Komitee Österreich (MKÖ), das aus dem Zusammenschluss der Überlebenden des KZ Mauthausen hervorgegangen ist und die Erinnerung an die Nazi-Gräuel wachhalten will. "Gerade in jenem Bundesland, in dem sich die KZ-Gedenkstätte Mauthausen befindet, darf die politische Führung braune Umtriebe nicht ignorieren", fordert der MKÖ-Vorsitzende Willi Merny.

Unterzeichnet haben den Brief unter anderem die Literatur-Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek, Ex-Kanzler Franz Vranitzky, Schauspieler wie Josef Hader und Karl Markovics sowie zahlreiche weitere Kulturschaffende und Wissenschaftler. Sie beklagen einen "höchst fragwürdigen Umgang mit Rechtsextremismus und Antisemitismus" in Oberösterreich. "Gerne wird behauptet, Polizei und Verfassungsschutz hätten die hiesige Neonazi-Szene unter Kontrolle, aber das ist nachweislich falsch", sagt Robert Eiter, Sprecher des oberösterreichischen Netzwerks gegen Rassismus und Rechtsextremismus.

Das Bundesland sei zudem zum Treffpunkt von Rechtsextremen geworden, heißt es in dem Brief

In ganz Österreich wurden nach den zuletzt vorgelegten Daten aus dem Verfassungsschutzbericht 2017 insgesamt 1062 rechtsextreme Straftaten begangen. Davon entfielen 192 auf Oberösterreich, was gegenüber 2014 eine Steigerung um 76 Prozent bedeutet. "Die rechtsextreme Hasskriminalität beschränkt sich keineswegs auf Propagandadelikte wie die Verbreitung von NS-Ideologie oder Verhetzung", heißt es in dem Brief. Verwiesen wird auf drei Schändungen der KZ-Gedenkstätte Mauthausen, zwei Anschläge gegen Flüchtlingsheime sowie die Schändung des jüdischen Friedhofs in Linz im Herbst 2018 vor dem 80. Jahrestag der Pogromnacht. Alle diese Fälle seien noch nicht aufgeklärt worden.

Angeprangert wird zudem, dass Oberösterreich zum Treffpunkt rechtsextremer Gruppen geworden sei wie bei dem bereits zwei Mal abgehaltenen Kongress "Verteidiger Europas", der beim ersten Mal sogar in Repräsentationsräumen des Landes getagt habe, und jüngst bei einer Jahreskonferenz der Identitären. Landeshauptmann Stelzer, der in der Linzer Proporzregierung ein Arbeitsübereinkommen mit der FPÖ geschlossen hat, wird auch dafür kritisiert, dass er den Ehrenschutz für den jährlich stattfindenden "Burschenbundball" übernommen hat, "obwohl häufig braune Aktivitäten von Burschenschaftern bekannt werden". Insgesamt könne in Oberösterreich "von einer wirksamen Bekämpfung der besonders vielen rechtsextremen Straftaten keine Rede sein".

© SZ vom 30.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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