Österreich:Hilfsbereitschaft mit Mängeln

Mit großer Geste lieferte China eine halbe Million Masken nach Tirol und Südtirol. Das Problem ist nur: Sie taugen nicht für den Einsatz im Krankenhaus, weil sie leicht verrutschen. Da hilft nur selber nähen.

Von Peter Münch, Wien

Es ist ein Bild gewesen für die Titelseiten der Tageszeitungen. "Hilfe aus China für Europa" stand darüber, und zu sehen waren zwei Maschinen der Austrian Airlines, die am 24. März am Wiener Flughafen mit 130 Tonnen Schutzausrüstung gelandet waren. Vor allem Atemschutzmasken waren in den großen braunen Pappkartons verpackt. Geordert worden waren insgesamt 500 000 Stück der Schutzklassen FFP2 und FFP3 für den Einsatz im Gesundheitsbereich beziehungsweise auf den Intensivstationen.

Dringend benötige Ware war das - und überdies ein Zeichen der Solidarität über Staatsgrenzen hinweg. Denn bestellt worden war die Schutzausrüstung mithilfe eines Sportartikelherstellers aus dem italienischen Südtirol, Österreich sorgte für die Logistik. Südtirols Landeshauptmann Arno Kompatscher bedankte sich wortreich bei der Regierung in Wien, 100 000 Masken ging zum Dank nach Tirol. Es war eine große Show, allerdings mit Schönheitsfehler. Denn die Masken waren mangelhaft.

Bereits am Flughafen Wien wurde das österreichische Rote Kreuz stutzig

Festgestellt wurden die Mängel bereits am Wiener Flughafen bei der ersten Sichtung durch das österreichische Rote Kreuz. Dort sei man bei der Öffnung der Kisten "stutzig" geworden, berichtet der ORF. Das österreichische Wirtschaftsministerium, das Großbestellungen beim gleichen Hersteller in China plante, gab deshalb eine Prüfung beim deutschen Dekra-Institut in Auftrag. Das Ergebnis war vernichtend. "Die Maske verschiebt sich schon bei einfachen Mundbewegungen wie z.B. sprechen", heißt es in dem Gutachten, aus dem das Südtiroler Onlinemagazin Salto.bz und der österreichische Standard zitieren. Weitere Qualitätstests seien gar nicht möglich gewesen.

Als dieses Gutachten eintraf, waren in Tirol bereits rund ein Fünftel der Masken verteilt. Die Auslieferung wurde sofort gestoppt, eine Rückrufaktion gestartet. In Südtirol, wo bereits weit mehr Masken im Umlauf waren, wurde nichts gestoppt, sondern zunächst ein eigens Gutachten in Auftrag gegeben beim Amt für Rüstung und Wehrtechnik in Wien. Auch dort kam man zu dem Schluss, es könne "nicht empfohlen werden, diese Masken als FFP3-Masken bzw. als Atemschutzmasken (FFP1-3) in Verkehr zu bringen oder zu verwenden".

Die Masken blieben in Südtirol dennoch im Einsatz. Die dortigen Gesundheitsbehörden warnten mit einiger Verspätung die Krankenhäuser lediglich davor, sie auf Intensivstationen zu verwenden. Im "Mittleren-Risiko-Bereich" könnten sie aber eingesetzt werden. Der zuständige Sanitätsrat erklärte, die Mitarbeiter seien angewiesen worden, "auf die Passform zu achten". In Südtirol löste dies nun heftige Proteste aus. Die Grünen wollen in Anfragen an die Landesregierung wissen, warum die Krankenhausbelegschaften erst so spät informiert worden seien. Die Süd-Tiroler Freiheit fürchtet Vertuschung und dass sich bereits Personal infiziert haben könnte.

In Österreich klagte Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck inzwischen öffentlich darüber, dass die auf den internationalen Märkten georderten Schutzmasken "in neun von zehn Fällen nicht von der vorgegebenen Qualität" seien. Als Konsequenz daraus kündigte sie eine heimische Massenproduktion von Masken für das Gesundheitspersonal an. Schon in wenigen Tagen soll diese Produktion auf 100 000 Stück, später dann auf 500 000 Stück pro Tag hochgefahren werden. Gesucht werden nun aber erst einmal mehrere Hundert Näherinnen und Näher.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: