Österreich:"Haiders Zeit geht zu Ende"

Seit Jahren fordert die slowenische Minderheit in Kärten Ortsschilder in ihrer Sprache. Die Wiener Regierung will den Sprachenstreit nun lösen.

Michael Frank

Der Streit um zweisprachige Ortsschilder im Süden des Bundeslandes Kärnten ist so alt und enervierend, dass sogar Österreichs Volksmund keine Witze mehr darüber einfallen.

Die Angelegenheit, die trotz läppisch anmutenden Anlasses das rechtstaatliche Grundbefinden des Landes betrifft, hat mit Amtsantritt der neuen Bundesregierung in Wien unter dem sozialdemokratischen Bundeskanzler Alfred Gusenbauer wieder höchste Brisanz bekommen.

Es geht auch um das politische Überleben Jörg Haiders, des Kärntner Landeshauptmanns. Zwei der höchsten Verfassungsorgane, der Bundespräsident und der Präsident des Verfassungsgerichtshofes, mahnten in scharfer Form an, die seit 1955 ungeklärte, von heftigen Emotionen begleitete Angelegenheit endgültig zu regeln.

Die neue sozialdemokratische Justizministerin Maria Berger erwägt als letztes Mittel Haiders Absetzung als Landeshauptmann, der seit Jahren Urteile des Verfassungsgerichts missachtet.

Kaum jemand versteht mehr, warum nicht längst all jene Gebiete Südkärntens, in denen Bürger deutscher und slowenischer Sprache seit Jahrhunderten miteinander leben, auch zweisprachige Ortsschilder haben. Alte Ressentiments laden die Stimmung auf und bilden die Grundlage der Wahlerfolge des rechtsextremen Haider.

Tricks und Kompromisse

Im Jahr 2001 definierte der Verfassungsgerichtshof die Ortsschilderfrage neu. Es müssten demnach viel mehr sein, als heute stehen. Wiens rechtsnationale Bundesregierung blieb lange untätig, weil sie Haiders Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ) als Koalitionspartner brauchte.

Dann rang man sich doch zu einem lauen Kompromiss durch - den Haider wieder mit Tricks hintertrieb. Kärntner Politiker beschimpften die Richter als Rechtsbeuger, deren Sprüche nicht zu beachten seien. Es geht längst darum, ob in Österreich die Verfassung gilt oder nicht. Entnervt will die politische Klasse den Fall aus der Welt schaffen.

Im Kompetenzwirrwarr zwischen Bund und Land schien unklar zu sein, wo die Zuständigkeit für diesen Schritt liegt. Jetzt stellte der Präsident des Verwaltungsgerichtshofes, Clemens Jabloner, fest: Da der Bundesregierung die Verantwortung für die Exekution verfassungs- und menschenrechtlich gebotener Regelungen zufalle, stehe ihr auch zu, bei mutwilligem Ungehorsam ein Amtsenthebungsverfahren in Gang zu setzen.

Er glaube allerdings nicht, dass es so weit komme, sagte Jabloner dem ORF. Denn es sei sein "persönlicher Eindruck", dass die "politische Zeit des Landeshauptmannes Haider zu Ende geht."

"Ortsschildersturm"

So weit ist es aber noch nicht. Haider will mit einer Sondersitzung des Landtages in Klagenfurt eine neue spitzfindige Erhebung der Zahl der Slowenen in Kärnten erreichen: Sie soll die Volksgruppenverhältnisse nach der Muttersprache bemessen, nicht wie bisher nach der Umgangssprache. Er glaubt, dies werde weniger statt mehr Ortsschilder bedeuten.

Haider droht sogar mit einem neuen "Ortsschildersturm" so wie in den 60er Jahren, als Gewalttäter gegen die Minderheitenrechte aufmarschierten. Die anderen Fraktionen des Landtags, früher allemal für antislowenische Aktionen zu haben, wollen die Sitzung boykottieren. Gespannt blickt nun die Nation nach Wien: Man fragt sich, ob die neue Regierung bereit sein wird, das seit 52 Jahren bestehende und bis zur Lächerlichkeit verzerrte Problem zu lösen.

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