Österreich:Große Koalition ist perfekt

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Sozialdemokraten und Volkspartei in Österreich haben sich auf eine Neuauflage ihrer großen Koalition geeinigt. Neuer Bundeskanzler soll SPÖ-Chef Faymann werden.

Österreich soll wieder von einer großen Koalition regiert werden. Darauf einigten sich die sozialdemokratische SPÖ und die konservative ÖVP am Sonntagabend in Wien.

Die große Koalition steht: Der künftige Kanzler Werner Faymann (SPÖ) und ÖVP-Chef Josef Pröll. (Foto: Foto: AP)

Neuer Bundeskanzler wird der Sozialdemokrat Werner Faymann. Der 48-Jährige wird seinen Parteikollegen, den amtierenden Bundeskanzler Alfred Gusenbauer, im Amt ablösen. Als Grund für die Einigung rund zwei Monate nach der Wahl nannten beide Seiten die Herausforderungen der Finanzkrise. Österreich brauche schnell eine handlungsfähige Regierung.

Die Österreicher hatten nach dem Bruch der alten großen Koalition, die nur 18 Monate gehalten hatte, am 28. September vorzeitig neu gewählt. Während die rechtskonservativen Parteien FPÖ und BZÖ stark hinzugewinnen konnten und gemeinsam auf knapp 30 Prozent der Stimmen kamen, hatten die beiden Großparteien mit etwa 29 Prozent für die SPÖ und 26 Prozent für die ÖVP herbe Verluste verzeichnet.

Außenministerin Plassnik protestiert gegen Europapolitik

Die beiden Parteien hätten jetzt einen 200 Seiten umfassenden Koalitionspakt vereinbart, sagte SPÖ-Chef Faymann am Sonntag vor Journalisten. Die Sozialdemokraten erhalten laut der österreichischen Nachrichtenagentur APA neben dem Kanzleramt die Ministerien für Frauen, für Gesundheit und für Soziales sowie für Verkehr, Bildung und Verteidigung; überdies je einen Staatssekretär im Kanzleramt und im Finanzministerium.

Die ÖVP erhält das Außen-, Finanz- und Innenministerium sowie das um den Familienbereich erweiterte Wirtschaftsministerium und das um die Forschung ergänzte Wissenschaftsministerium, ferner die Ressorts für Justiz und Landwirtschaft und je einen Staatssekretär im Finanz- und im Wirtschaftsministerium. Namen wurden jedoch vorerst nicht bekanntgegeben. Das soll erst nach den für diesen Montag einberufenen Sitzungen der Parteigremien erfolgen.

Die vorige große Koalition war nach heftigem Streit über die Europapolitik, aber auch aufgrund einer Führungskrise in der SPÖ zerbrochen; vor der Neuwahl wechselte die Partei denn auch ihre Spitze aus und nominierte Faymann zum Kanzlerkandidaten. Nun einigten sich die alten und neuen Partner in Bezug auf den Hauptstreitpunkt, die Europapolitik: Hatte die SPÖ bisher darauf bestanden, dass alle künftigen EU-Verträge einer Volksabstimmung unterworfen werden müssen, so beschlossen nun beide Seiten, dass es gegen den Willen der ÖVP kein Referendum geben wird.

Aus Protest gegen diesen Kompromiss kündigte die bisherige Außenministerin und engagierte Europa-Politikerin Ursula Plassnik (ÖVP) an, dass sie der künftigen Regierung nicht mehr angehören werde.

Auch sonst waren beide Seiten zuletzt auf eine Reihe von Kompromissen zugesteuert: Bei der geplanten Reform der Einkommensteuer sollen offenbar auch Bezieher höherer Gehälter von der für 2009 geplanten Entlastung profitieren. In Österreich greift die Steuerprogression sehr früh: Schon ab 50.000 Euro Jahreseinkommen gilt ein Steuersatz von 50 Prozent.

Kompromissbereit zeigte sich wiederum die SPÖ bei der steuerlichen Förderung von Familien mit Kindern und beim Rückzug aus den staatsnahen Unternehmen. Umstritten war lange die Frage gewesen, wie die Pensionen langfristig zu sichern sind, aber auch acht Milliarden Euro an Einsparungen im Haushalt. SPÖ und ÖVP beteuerten, sie wollten mit Blick auf die Finanzkrise nun an einem Strang ziehen.

© SZ vom 24.11.08/cag - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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