Ganz Wien lacht derzeit herzlich über eine Karikatur des beliebten Zeichners Michael Pammesberger im Kurier, mit der das zweite Sommertheater nach der chaotischen Aufführung über die Eskapaden der grünen EU-Spitzenkandidatin Lena Schilling treffend beschrieben ist: Man sieht den österreichischen Kanzler, Karl Nehammer, wie er sich in einen Tobsuchtsanfall über die grüne Umweltministerin Leonore Gewessler hineinsteigert.
Die hatte die Kühnheit (wahlweise auch: Unverschämtheit) besessen, im Umweltrat der EU für das historisch bedeutende und dringend nötige Renaturierungsgesetz zu stimmen, das damit die nötige Mehrheit bekam. Die ÖVP spricht seither von Verfassungsbruch und hat Gewessler tatsächlich, Stand Donnerstag, wegen Amtsmissbrauchs angezeigt.
Pammesberger, um auf die Karikatur zurückzukommen, zeigt Nehammer, wie er sich in ein zähnefletschendes, bärenartiges, Drohungen ausstoßendes Ungeheuer verwandelt. Nur um sich im letzten Bild, als ihm die Luft ausgeht, leise grunzend zu trollen, so wie sich ein scheinbar aggressiver Bär murrend und knurrend in den Wald zurückzieht. Viel Lärm um nichts.
Denn tatsächlich hat die ÖVP auch eine knappe Woche nachdem sie das Ende der Koalition in den Raum gestellt hatte, in dieser Sache keine wirklich guten Karten. Die österreichische Beschwerde beim EuGH gegen das Abstimmungsverhalten einer österreichischen Ministerin wird frühestens in zwei Jahren entschieden und hat keine Auswirkungen auf das Gesetz; die verschiedenen Rechtsgutachten dazu, ob sie das durfte, beschäftigen aktuell vor allem Rechtsgelehrte. Und die Grünen haben derzeit einen Lauf. Sowie die besseren Schlagzeilen.
Insubordination kann also durchaus wirkungsvoll sein. Zumal die grüne Ministerin ihren Schritt in Brüssel als eine Art Befehlsnotstand darstellt: Sie habe sich wegen der zu Tode bedrohten Umwelt, die letztlich unser aller Existenz bedroht, dafür entschieden, trotz massiven Drucks mit Ja zu stimmen.
All das hindert die Koalitionspartner derzeit nicht, noch schnell vor der Sommerpause gemeinsam ein Gesetz durchzudrücken, mit dem die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, kurz WKStA, zumindest teilweise entmachtet werden könnte. Es geht um die Frage, wer künftig Handys beschlagnahmen und auswerten darf – eine für Korruptionsermittlungen zentrale Befugnis, wenn man allein die Ermittlungen rund um Ex-Kanzler Sebastian Kurz nimmt, die durch Handy-Auswertungen erst so richtig in Fahrt kamen.
Politische Interventionen könnten bei dem neuen Gesetz wahrscheinlicher werden
Die Polizei hatte nicht immer eine gute Figur gemacht, hat mal nichts gefunden, mal eine Auswertung verschleppt, mal mit Verdächtigen kooperiert. Das Verfassungsgericht hatte derweil, durchaus berechtigt, gefordert, dass der Handy-Beschlagnahmungs-, Auswertungs- und Skandalisierungswildwuchs eingedämmt werden müsse. Nun soll aber just allein die – dem Innenministerium unterstellte – Kriminalpolizei Handys auswerten dürfen, nach richterlicher Anordnung. Abgesehen davon, dass diese Verschiebung politische Interventionen wahrscheinlicher macht, sind nur zwei Wochen Zeit für eine Debatte über das Gesetz samt möglichen Korrekturen vorgesehen.
Während sich die grüne Umweltministerin wegen ihres Heldentums bejubeln lässt, das den Grünen im kommenden Wahlkampf zur Nationalratswahl im Herbst nutzen dürfte, bekommt die grüne Justizministerin, Alma Zadić, schlechte Rezensionen für ihre aktuelle Performance. Die Causa ist nicht so öffentlichkeitswirksam wie Umweltschutz, aber wichtig für die Bekämpfung der politischen Korruption im Land. Es braucht daher in diesem Fall dringend die Insubordination der Justizministerin gegen die beiden Koalitionspartner ÖVP und Grüne – und sich selbst.
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