Sexismus in Österreich:Eine Tiroler Beleidigung

Lesezeit: 3 Min.

Szene aus dem Video: Tirols Landeshauptmann-Stellvertreter Josef Geisler (ÖVP) neben der Regierungspartnerin und zweiten Landeshauptmann-Stellvertreterin Ingrid Felipe (Grüne) (Foto: Screenshot WWF Österreich/Youtube)

Vize-Regierungschef Geisler nennt eine Umweltschützerin "widerwärtiges Luder" - ein Video davon gelangt ins Internet. Die Entschuldigung des Politikers macht die Sache nicht besser.

Von Felix Haselsteiner und Oliver Das Gupta

Der Name Josef Geisler ist außerhalb Tirols nicht sonderlich bekannt. Doch an diesem Donnerstag sorgte der stellvertretende Regierungschef des Bundeslandes für österreichweite Schlagzeilen, als er eine junge Naturschützerin beleidigte. "Widerwärtiges Luder", sagte der Landeshauptmann-Stellvertreter, der Mitglied der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) ist. Die Szene wurde gefilmt, ein Ausschnitt des Videos ins Internet hochgeladen, die Empörung wuchs schnell, Politiker Geisler entschuldigte sich. Doch damit ist die Geschichte noch nicht ganz erzählt, denn die Sache hat bei genauerer Betrachtung gleich mehrere pikante Noten.

Der Vorfall trug sich während einer angemeldeten Kundgebung im Zentrum Innsbrucks zu, auf dem Landhausplatz nahe des Befreiungsdenkmals. Dort hatten sich Vertreter des World Wildlife Fund (WWF) versammelt, einer der größten Naturschutzorganisationen der Welt.

In dem insgesamt 18 Minuten langen Video, das die Süddeutsche Zeitung ansehen konnte, ist dokumentiert, was passiert ist. Die WWF-Aktivisten stellen das Ergebnis einer Petition vor, mit der der Bau des Wasserkraftwerks Tumpen-Habichen im Ötztal verhindert werden soll. ÖVP-Mann Geisler ist zusammen mit der Grünen-Politikerin Ingrid Felipe erschienen, der zweiten Landeshauptmann-Stellvertreterin.

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Nach der Präsentation des Petitionsergebnisses entwickelt sich eine Diskussion zwischen Geisler, Felipe sowie einem Sprecher der Bürgerinitiative Tumpen und einer jungen WWF-Aktivistin. Geisler sagt, an Felipe gewandt, klar hörbar im Dialekt: "Siehst du, die lässt mich gar nicht reinreden. Widerwärtiges Luder." Eine rustikale Tiroler Beleidigung in aller Öffentlichkeit.

Die Diskussion läuft danach noch einige Minuten weiter. Der geschmähten Aktivistin wird erst anschließend klar, was Geisler genau gesagt hat. "Ich habe im ersten Moment nur das Wort 'widerwärtig' gehört und wollte mich davon nicht aus der Bahn werfen lassen", sagt sie später zur SZ. "Dass Herr Geisler mich auch als 'Luder' benannt hat, wurde mir erst nach dem Gespräch von einem Begleiter mitgeteilt." Sie spricht von einer "sexistischen Bemerkung".

Fragwürdige Rechtfertigung

Der WWF veröffentlicht das Video anschließend im Internet, es wird auf Twitter und Facebook geteilt. Geisler handelt schnell. Über die Nachrichtenagentur APA entschuldigt er sich "in aller Form", ebenso in der Tiroler Tageszeitung.

Allerdings relativiert er sein Bedauern gleichzeitig. Denn Geisler rechtfertigt seine Wortwahl damit, dass die Aktivistin ihm angeblich ins Wort gefallen sei. Das der SZ vorliegende komplette Video belegt das Gegenteil: Als die Umweltschützerin redet, fällt ihr Geisler ins Wort - nicht umgekehrt. Die Frau wies zuvor ihren Mitstreiter sogar auf eine ruhige Gesprächsführung hin und bat ihn, die Politiker nicht zu unterbrechen.

Für die Aktivistin ist Geislers Art der Entschuldigung "eine Verleumdung und eine klassische Opfer-Täter-Umkehr, die das frauenverachtende Weltbild von Herrn Geisler sehr plakativ darstellt". Sachlich könne­­­­ Geisler offenkundig nicht mit dem Anliegen der Umweltschützer umgehen, sagt sie­. Die junge Frau will ihren Namen nicht in der Zeitung lesen, sie fürchtet Nachteile - gerade in Tirol werden Kritiker immer wieder als Nestbeschmutzer herabgewürdigt.

Eine ausgefallene Erklärung

Die SZ fragt in Geislers Büro nach, wie er seine Aussage genau gemeint habe. Die Antwort ist durchaus bemerkenswert. Der Landeshauptmann-Stellvertreter habe den Ausdruck "ohne jedwede Aggression verwendet", erklärt seine Sprecherin. "Luada" werde "in Tirol umgangssprachlich für eine schlitzohrige, hartnäckige Person verwendet, die einen austrickst".

Der Ausdruck sei zudem "nicht zwingend negativ". Dazu noch der Hinweis: "Ursprünglich stammt der Begriff 'Luder' - wie Sie sicher wissen - aus der Jägersprache und bezeichnet einen Köder zum Anlocken von Raubtieren." Solche ausgefallenen Erklärungen machen fast vergessen, dass Geisler "Luada" mit dem Attribut "widerwärtig" zweifellos abwertend meinte.

Seine Sprecherin nennt die Äußerung "inakzeptabel, wenngleich sie in keiner Weise frauenfeindlich gemeint war". Der Politiker werde sich noch schriftlich bei der Aktivistin entschuldigen.

Das Büro des Landeshauptmann bleibt stumm

Die Grünen-Politikerin Ingrid Felipe hat das bereits erledigt und sich persönlich bei der Aktivistin gemeldet. Die zweite Landeshauptmann-Stellvertreterin hatte, neben Geisler stehend, nicht reagiert, als dieser seinen Spruch von sich gab. Dafür wurde Felipe in sozialen Netzwerken mitunter ruppig kritisiert. Der SZ erklärt die Politikerin, sie habe der Aktivistin so fokussiert zugehört und deshalb die Aussage von Geisler "nicht wahrgenommen". Die Aktivistin sagt, sie nehme das Felipe ab.

Die Grüne lässt keinen Zweifel daran, was sie inhaltlich von der Aussage ihres Regierungspartners Geisler hält. "Frauenfeindlich" sei die Bezeichnung "widerwärtiges Luder", sagt Felipe und fügt hinzu: "Frauenfeindliche Aussagen sind grundsätzlich nicht zu akzeptieren."

So auskunftsfreudig ist Geislers Chef nicht. Der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter, wie Geisler Mitglied der ÖVP, will zu der Causa offenbar lieber nichts sagen. Sein Büro bestätigt bis Freitagvormittag nicht einmal den Eingang von drei schriftlichen Anfragen.

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