MeinungÖsterreich-Kolumne:Klare Worte zum Schluss

Kolumne von Felix Haselsteiner

Lesezeit: 2 Min.

Maximilian Wöber, Christoph Baumgartner (im Trikot der Niederländer, das er nach dem Spiel mit dem Gegenspieler getauscht hat) und Michael Gregoritsch feiern nach dem Spiel gegen die Niederlande, das den Platz als Gruppenerster der Vorrunde fixierte. (Foto: Lisi Niesner/REUTERS)

Die ÖFB-Elf glänzte bei der Fußball-EM mit vorbildlichen Leistungen und Aussagen. Was sich nicht von allen Fans aus Österreich behaupten lässt.

Als EM-Reporter habe ich unzählige Stunden Audiomitschnitte gesammelt, während ich einige Wochen lang mit der österreichischen Nationalmannschaft unterwegs war. Egal ob auf Pressekonferenzen oder in sogenannten Mixed Zones, wo nach Spielen im kleinen Kreis gesprochen wird: Die meiste Zeit geht es um die Vor- und Nachbesprechung von Fußballspielen. Das ist einigermaßen langweilig, in der Regel hangeln sich Fußballer von Phrase zu Phrase, wenn sie Erklärungen suchen für das Geschehene oder Prognosen anstellen für das, was demnächst passieren könnte.

Insofern war es durchaus bemerkenswert, dass die finalen 30 Sekunden, die ich bei der EM 2024 von den Österreichern auf Tonband mitnehmen konnte, die überzeugendsten waren. Der Stürmer Michael Gregoritsch hatte zum Abschluss eine These für die versammelte Runde aus Reportern, am „bittersten Abend“ seiner Karriere, nach dem Ausscheiden gegen die Türkei: „Ich glaube, dass man gesehen hat, dass wir alle in diesem Land für eine Sache stehen können, die gut ist. Dass wir uns ganz weit entfernen sollten von rechtem Gedankengut und wissen sollten, wie wichtig es ist, dass wir alle gleich sind und für eine Sache brennen können.“

Es war keine politische Europameisterschaft für die Österreicher. Das hatte allem voran damit zu tun, dass kein noch so kreativer Spalter und Hetzer im Nationalteam von Ralf Rangnick Grund für Spaltung und Hetze fand. Die Mannschaft spielte großartigen Fußball, teilweise über dem Niveau, das ihr zuzutrauen war. Letztlich wurde sie Gruppenerster mit den Kontrahenten Frankreich, Niederlande und Polen. Die Nationalmannschaft, sie war trotz des Ausscheidens im Achtelfinale die Freude eines stolzen Landes, für diese Meinung hatte selbst Herbert Kickl (FPÖ) auf seiner Facebook-Seite Platz, zwischen Grünen-Bashing und der Vision einer „Festung Österreich“ frei von Asylanträgen.

Es war daher nicht die Europameisterschaft, die zu politischen Diskussionen unter Österreichern führte, was an sich eine gute Sache ist, weil der Fußball und die auch aus zahlreichen Migrationskindern bestehende Mannschaft keine politische Bedeutung bekam.

Allerdings: Es gab reichlich Österreicher, die bei der Europameisterschaft politische Diskussionen führten, nicht immer in abwägendem Ton.

Da wäre das „Defend Europe“-Plakat, das beim Spiel gegen Polen in der Kurve auftauchte oder die „Ausländer raus“-Gesänge, die in Leipzig von einigen wenigen Fans zu hören waren (und von denen sich die offizielle Fankurven-Vereinigung inzwischen klar distanzierte). Da waren aber auch Begegnungen in U-Bahnen auf dem Weg ins Stadion, in denen ich – wegen des Ausweises klar als SZ-Reporter zu erkennen – mit den Worten empfangen wurde, dass ich mich „gleich wieder schleichen“ möge. Österreicher sind im Jahr 2024 politisch, egal in welchem Kontext man sie erlebt.

Wenn sich daher ein Spieler wie Gregoritsch oder ein Trainer wie Rangnick (im Live-Interview in der ZIB2) öffentlich gegen einen Rechtsruck positionieren, ist das vor allem deshalb zu begrüßen, weil sich nach einigen Wochen auf Reisen mit Österreichern vor allem eines lernen lässt: Am lautesten reden auf der öffentlichen Bühne entweder diejenigen mit dem größten Bierrausch – oder diejenigen, die am wenigsten Interessantes zu sagen haben. Dass man als Protest dagegen als Fußballer mal die Phrasen beiseitelässt, erscheint mir angemessen.

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