Landtagswahl in Österreich:Erdrutschsieg für die FPÖ

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Sie feiern den Erdrutschsieg der FPÖ in der Steiermark: Spitzenkandidat Mario Kunasek (li.) und Parteichef Herbert Kickl. (Foto: Hans Klaus Techt/dpa)

In der Steiermark dürften die Freiheitlichen erstmals den Landeshauptmann stellen. Das überraschende Ergebnis beeinflusst die Verhandlungen in Wien über eine neue Regierung.

Von Cathrin Kahlweit, Wien

Umfragen hatten die rechtspopulistische, in Teilen auch rechtsextreme FPÖ im österreichischen Bundesland Steiermark weit vorn gesehen. Vorausgesagt worden war, dass die schwarz-rote Koalition in Graz unter Landeshauptmann Christopher Drexler keine Mehrheit mehr bekommen würde. Dass die FPÖ aber mit knapp 35 Prozent der Stimmen bei der Landtagswahl am vergangenen Sonntag einen Erdrutschsieg einfahren würde, das war in diesem Ausmaß nicht erwartet worden – obwohl die Freiheitlichen bereits bei der Nationalratswahl Ende September und bei der letzten Landtagswahl in Vorarlberg stark zugelegt hatten.

Die FPÖ holte 34,8 Prozent – und legte damit um 17 Prozentpunkte zu. Die ÖVP verlor mehr als neun Prozentpunkte und kam nur noch auf 26,8 Prozent. Die SPÖ, die seit mehr als einem Jahr mit ihrem neuen Bundesvorsitzenden Andreas Babler um Erfolge ringt, verlor knapp und kam auf 21,4 Prozent. Die Grünen halbierten sich, die liberalen Neos kamen auf knapp sechs Prozent – und die KPÖ, die in der Landeshauptstadt Graz immerhin die Bürgermeisterin stellt, fiel auf 4,4 Prozent ab. Die FPÖ wurde damit in fast allen Wahlbezirken stimmenstärkste Partei.

Die steirische ÖVP sieht sich als „Bauernopfer“ des Bundespräsidenten

Am Sonntagabend jubelten FPÖ-Anhänger daher nicht nur in der Steiermark, sondern auch in Wien. Unter Parteichef Herbert Kickl, der spät am Abend noch zur Siegesparty dazustieß, fährt die Partei Erfolg um Erfolg ein. Der steirische FPÖ-Vorsitzende Mario Kunasek dürfte nun mehrere Jahrzehnte, nachdem die FPÖ-Legende Jörg Haider in Kärnten erstmals Landeshauptmann geworden war, wieder Regierungschef eines Bundeslandes werden. In der schwarz-blauen Koalition unter dem ehemaligen ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz war Kunasek Verteidigungsminister gewesen.

ÖVP-Chef und Landeshauptmann Drexler beklagte sich nach der Wahl über Gegenwind aus Wien. Dort verhandeln derzeit ÖVP, SPÖ und Neos über eine Dreierkoalition im Bund. Bei der Nationalratswahl am 29. September war die FPÖ stärkste Partei geworden, hatte aber bei informellen Sondierungen keinen Partner für etwaige Koalitionsverhandlungen gefunden. Bundespräsident Alexander Van der Bellen hatte daraufhin den Regierungsbildungsauftrag dem amtierenden Kanzler Karl Nehammer gegeben, dessen ÖVP zweitstärkste Kraft geworden war.

In der FPÖ war das als Benachteiligung gesehen worden, weil traditionell die stärkste Partei mit der Regierungsbildung beauftragt werde. Van der Bellen hatte argumentiert, dass ja offensichtlich geworden sei, dass niemand mit der FPÖ regieren wolle. Dies tragen ihm nun, wie Nachwahlbefragungen belegen, nicht nur viele Wähler in der Steiermark nach, sondern auch der ÖVP-Landeshauptmann. Drechsler sagte am Sonntagabend, er sei ein „Bauernopfer“ der Republik und der Entscheidung des Bundespräsidenten gewesen. Viele Wähler hätten nach dem Prinzip „Jetzt erst recht“ entschieden.

Die FPÖ setzte auf Wahlgeschenke

Zudem war Drexler aber auch nicht sonderlich beliebt. FPÖ-Chef Kunasek hingegen, der mit dem Spitznamen „Kunibär“ für sich warb, gilt als umgänglich. Außerdem hatte die FPÖ während der Kampagne viele Wahlgeschenke verteilt, von kostenlosen Konzerttickets und Lotterien über Spielzeug und Mahlzeiten. Der geplante Neubau eines zentralen Krankenhauses und die drohende Schließung bestehender kleinerer Kliniken hatten landespolitisch auch für Zündstoff gesorgt.

Der Finanzskandal um 1,8 Millionen mutmaßlich veruntreute Steuergelder hingegen, wegen dessen sowohl gegen die FPÖ in Graz als auch gegen Kunasek selbst ermittelt wird, hatte offenbar die Wahlentscheidungen nicht beeinflusst. Obwohl sich die Affäre nach dreijährigen Ermittlungen jetzt noch einmal ausweitet und Dutzende Zeugen vernommen werden, war das den meisten Wählern laut Umfragen egal.

Nach dem Sieg der FPÖ in der Steiermark müssen die Freiheitlichen nun einen Koalitionspartner suchen. Unklar ist noch, ob die ÖVP als kleinerer Partner in eine Regierung einsteigen würde. Sie regiert mittlerweile in vier Bundesländern – in Niederösterreich, Oberösterreich, Salzburg und Vorarlberg – mit. Aber überall stellen die Konservativen den Landeshauptmann und geben den Ton an.

Schwieriger wird die Lage nun auch für die Koalitionsverhandlungen im Bund, die nach zwei Monaten Beratungen und Sondierungen erst vor einer Woche formal aufgenommen wurden. Eine Dreierkoalition gilt in Teilen der ÖVP als Notlösung. Aus den Ländern komme Druck, heißt es, doch mit der FPÖ zu koalieren. Auch die Industriellenvereinigung, die Vertretung der österreichischen Industrie, soll sich für schwarz-blau starkmachen. Kanzler Nehammer hatte sich allerdings im Wahlkampf festgelegt, dass er zwar mit der FPÖ, aber keinesfalls mit Parteichef Kickl koalieren werde. Der ist nicht nur immer noch im Amt, sondern am Sonntag auch noch mal gestärkt worden.

Korrektur: In einer früheren Version dieses Artikels haben wir an zwei Stellen fälschlicherweise das Burgenland erwähnt. Richtig ist, dass zuletzt in Vorarlberg eine Landtagswahl stattfand und die FPÖ dort auch mitregiert.

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