Süddeutsche Zeitung

Österreich:FPÖ-Chef Norbert Hofer tritt zurück

Der 50-Jährige wollte offenbar den Kurs des extrem rechten Fraktionschefs Herbert Kickl nicht mehr mittragen. Diesem steht nun der Weg an die Parteispitze offen.

Von Cathrin Kahlweit, Wien

Norbert Hofer hat gerade erst eine mehrwöchige Reha in Baden hinter sich; während der Behandlung dort hat er offenbar viel über sich, seine Partei, sein Leben nachgedacht. Der ehemalige Kandidat für das Bundespräsidentenamt, der Alexander Van der Bellen 2016 in der Stichwahl unterlegen war, und spätere Verkehrsminister in einer türkis-blauen Koalition unter Sebastian Kurz war zuletzt massiv politisch unter Druck gewesen - aus der eigenen Partei. Herbert Kickl, Fraktionschef der Freiheitlichen im Nationalrat und ehemaliger Innenminister, hatte sich mit einem radikalen Kurs Gehör verschafft. Er wurde die starke Stimme der Partei, Hofer stand zunehmend verloren im Hintergrund.

Nun hat Hofer am Dienstagnachmittag seinen Rücktritt als Parteiobmann verkündet und damit die restliche Parteispitze offenbar überrascht. Zuerst hatte ein Tweet kursiert, in dem Hofer seinem Nachfolger "alles Gute" wünschte, dann war dieser gelöscht worden - nur um als Pressemeldung mit einer förmlichen Erklärung wieder aufzutauchen. Darin meldet sich Hofer und erklärt, seine Reise sei "nun zu Ende". Dritter Nationalratspräsident wolle er aber bleiben.

Die Zeit nach Ibiza sei nicht einfach gewesen, so Hofer, aber er habe die Partei nach den Querelen des Ibiza-Skandals und des darauf folgenden Bruchs der türkis-blauen Koalition "wieder stabilisiert". Bei der Parlamentswahl 2019 hatten die Freiheitlichen fast zehn Prozent eingebüßt und kamen auf 16,2 Prozentpunkte, mittlerweile liegen sie wieder bei etwa 20 Punkten. Diesen Popularitätsgewinn rechnen Umfrageinstitute allerdings vor allem dem radikalen Anti-Corona-Kurs von Herbert Kickl zu, der sich etwa im Parlament weigert, eine Maske zu tragen. Hofer rügte das und stellte fest, wer das tue, stelle sich "in einer Selbstüberhöhung über alle Menschen, die sich an Regeln halten müssen". Hofer marschierte auch, anders als Kickl, nicht neben Neonazis an der Spitze von Anti-Corona-Demonstrationen mit.

Zurück in die "Fundamentalopposition"

Zuletzt hatte es einen öffentlich ausgetragenen Kampf um das Amt des Parteichefs gegeben, auf das Kickl seine Ansprüche anmeldete. Hofer konterte verschnupft, darüber müsse man reden, wenn Wahlen anstünden. Streit gab es auch über den Vorschlag des Fraktionschefs, nach einem Sturz von Kanzler Kurz eine mögliche Mehrparteienkoalition aus SPÖ, Grünen und Neos zu dulden. Hofer hatte sich immer wieder gegen einen fliegenden Koalitionswechsel anstelle von Neuwahlen ausgesprochen.

Mit dem Rücktritt des 50-Jährigen, der sich - formal - eine erneute Kandidatur für das Bundespräsidentenamt offenlässt, steht Kickl nun der Weg an die Parteispitze frei. Während Hofer als das moderate, auch freundlichere Gesicht der Partei galt, war Kickl immer offen für rechtsextreme Bewegungen gewesen; so trat er auf einer Konferenz der Identitären auf.

Politikwissenschaftler hatten dem Duo lange Zeit ein kalkuliertes Zusammenspiel attestiert, um den Anschein der Regierungsfähigkeit zu erhalten. Hofer hatte sich aber zuletzt bewusst von Kickl abgesetzt und an streitigen Abstimmungen nicht mehr teilgenommen, bei denen sich die Fraktion hinter Kickl stellte. Die konservative Presse kommentierte am Dienstagabend: "Der Weg der FPÖ in die bürgerliche Mitte ist einmal mehr beendet; er war auch unter Hofer nur ein halbherziger gewesen." Jetzt mache die FPÖ wieder "Fundamentalopposition" - sie könne wohl nicht anders.

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