MeinungÖsterreich:Wirre Telenovela

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Kolumne von Cathrin Kahlweit

Lesezeit: 2 Min.

Lena Schilling (hier auf einem Plakat zur Europawahl) steht in Österreich im Mittelpunkt einer Affäre, in der man bestimmt nicht an "Herz" denkt. Eher an "Intrigenstadel". (Foto: Leonhard Foeger/Reuters)

Die Affäre um die grüne EU-Spitzenkandidatin Lena Schilling beschädigt mittlerweile fast alle Beteiligten.

Ich war gerade auf Dienstreise in der Ukraine; so konnte ich mich davor drücken, über die grüne Spitzenkandidatin für die EU-Wahl in Österreich, Lena Schilling, zu schreiben. Zuletzt hatte das in der SZ mein Kollege Gerhard Fischer übernommen. Für die miserable Krisenkommunikation der grünen Partei, die mit weit mehr Fehlern als Fortune versucht, ihren in Turbulenzen geratenen Star aus einem Dickicht an Vorwürfen und Verheerungen herauszuhauen, hatte er im Wesentlichen folgenden Kommentar: "Geht's noch?"

Aber seither ist noch einiges Neues geschehen sowie geschrieben, gesagt, verschlimmert worden. Nicht nur von den Grünen selbst, deren Generalsekretärin sich in dieser Woche in einen emotionalen Amoklauf mit Beschuldigungen gegen diverse politische Gegner hineinredete. Das stärkt nicht die Kandidatin, sondern das Image der Politik als verabscheuungswürdigen Intrigenstadel. Nun sind wirklich alle beschädigt.

Am Anfang ist da eine rhetorisch fitte und selbstbewusste Frau, die vor einer Weile noch in einem Protestcamp gegen den Bau eines Tunnels am Stadtrand von Wien saß. Sie sollte den Grünen Stimmen aus dem linken Lager zuführen. Weil nach vier Jahren in einer umstrittenen Kompromisskoalition mit der ÖVP wieder ein kämpferisches Image hermuss.

Diese junge Frau wittert ihre Chance auf eine politische Karriere, kriegt aber heftigen Gegenwind aus der klimaradikalen Bewegung, welche die in ihren Augen kompromittierten Grünen echt uncool findet. Sie sondiert offensiv Vor- und Nachteile, weil sie ihre neuen Freunde nicht vergällen, ihre alten Freunde nicht verlieren will. Die Tonalität ist manchmal kindisch, die Intention bisweilen fragwürdig, die Selbstinszenierung eitel. Und die Geschichten, die sie dabei über andere Menschen in die Welt setzt, die würde man über sich selbst nur ungern in Wien erzählt hören, wo Skandale die Zerfallszeit von Atomen haben - der Müll liegt noch ewig herum.

Hinzu kommt eine private Fehde mit einem Paar, mit dem sie einst befreundet war und das sie sehr gegen sich aufgebracht hat. Im Podcast "Dunkelkammer" erzählt diese Freundin glaubwürdig, wie sie versucht habe, Schilling vor sich selbst, aber vor allem ihre Ehe und sich selbst vor Lena Schilling zu schützen. Dann aber liest man im Falter, wie diese Freundin sich bis zuletzt bei Schilling regelrecht anbiederte. Und möchte gern zu einem guten Buch greifen, anstatt einer medialen Telenovela zu folgen.

Und so ist die zunehmend unübersichtliche Geschichte über Schilling nur noch sehr bedingt ein Skandal über eine junge Frau, die nicht in der klassischen Parteipolitik sozialisiert ist. Und die derzeit auf einem Prüfstand steht, den man auch modernen Pranger nennen könnte. Sondern auch eine Geschichte über Medienethik und Politik, über einen irren Mix aus politischen Agenden, alten Rechnungen, persönlichen Verletzungen, taktischen und strategischen Motivationen.

Wer kann da noch den Durchblick behalten? Und will man das alles wirklich so ganz genau wissen? You cannot unsee it, sagen die Engländer dazu. Denn nicht alles Private ist politisch. In zwei Wochen sind EU-Wahlen, danach wird Schilling ins EU-Parlament einziehen. Vielleicht bekommt sie dort eine zweite Chance.

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