Die Österreicher haben Grund, Johannes Pietsch – besser bekannt als JJ – dankbar zu sein. Und gleichzeitig auch, sauer auf ihn zu sein. Zuerst die gute Nachricht: Österreich darf dank JJ den Eurovision Songcontest 2026 austragen! Juhu! Herzlichen Glückwunsch!
Und jetzt die schlechte Nachricht: Österreich muss den ESC 2026 austragen. Na danke. Wer das bezahlen soll, fragt schon der öffentliche Rundfunk. Und wer hält dieses Schlager-Techno-Gehämmer überhaupt aus, fragen andere. JJ brachte das Dilemma selbst am Abend seines Sieges auf den Punkt: „Leitln, wir haben den Schas gewonnen.“
Stefanie Sargnagel hat schon vorgeschlagen, „den Schas“, um Geld zu sparen, in dem Einkaufszentrum Lugner City in Wien zu veranstalten. Vielleicht könnte sie das Ganze dann auch gleich ehrenamtlich moderieren? Aber mal im Ernst: Geld war beim diesjährigen ESC in der Schweiz tatsächlich nicht das größte Problem. Viele Kantone, darunter Basel, wo der Contest stattfand, wissen nicht, wohin mit ihren Steuereinnahmen. Aber selbst wenn das Budget für die nächste Österreich-Edition des ESC etwas kleiner als in der Schweiz ausfallen sollte: Letztlich lohnt sich das Event wahrscheinlich. Schon allein wegen der internationalen Aufmerksamkeit. So nutzten die Schweizer das TV-Ereignis mit 170 Millionen Zuschauern ohne Hemmungen als Werbeplattform für ihr Land und zeigten vor jedem Auftritt ein Filmchen, in dem der jeweilige Künstler vom sonnigen Ascona bis aufs eisige Jungfraujoch einen besonders schönen oder interessanten Ort in der Schweiz besuchen durfte. Da kann das Tourismusland Österreich bestimmt mithalten.
Und was das musikalische Niveau angeht, darf man JJ auch wieder dankbar sein. Der ausgebildete Opernsänger von der Wiener Staatsoper hat den ESC mit einer virtuosen Pop-Arie gewonnen, die nicht jedem gefallen muss, die aber musikalisch beeindruckend ist. Würdevoller kann man diesen Wettbewerb wahrscheinlich nicht nach Hause holen, vor allem nicht in das Land der Salzburger Festspiele und der Wiener Klassik. Es ist eben nicht alles Trash beim ESC.
Ein großes und schwieriges Thema wird dagegen auch im kommenden Jahr die Frage nach dem Umgang mit der Teilnahme Israels werden. Diese steht seitens der Organisatoren nach wie vor nicht ernsthaft zu Debatte – während JJ sich zuletzt gewünscht hatte, der ESC in Österreich möge ohne Israel stattfinden. Die massiven Proteste gegen Israel haben nach Malmö 2024 in diesem Jahr in Basel kaum abgenommen, und wie die Aussage von JJ zeigt, wird das vermutlich so bald auch nicht passieren. Dass der ESC politisch ist, lässt sich weder leugnen noch verhindern. Kritik, zum Beispiel an der Kriegsführung der Regierung Benjamin Netanjahus in Gaza, ist wichtig und sollte möglich sein. Propalästinensische Proteste wie in Malmö und Basel, die regelmäßig ins Antisemitische kippen, können für Polizei und Veranstalter dagegen schnell zum Problem werden. Hier die richtige Balance zu finden, wird im kommenden Jahr eine der größten Herausforderungen für den ESC sein. Schon allein, damit der Schas am Ende auch noch Spaß macht.
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