Österreich:Enteignung von Hitlers Geburtshaus war rechtmäßig

FILE PHOTO: The house in which Adolf Hitler was born is seen in Braunau am Inn

In diesem Haus lebte Adolf Hitler als Säugling und Kleinkind.

(Foto: Leonhard Foeger/Reuters)

Das bestätigt ein österreichisches Gericht. Mit ihrer Entscheidung wollten die Richter verhindern, dass das Gebäude zur Pilgerstätte für Neonazis wird.

Von Stefan Ulrich

Der österreichische Staat durfte Adolf Hitlers Geburtshaus in Braunau am Inn enteignen, um zu verhindern, dass es Neonazis als "Pilgerstätte" dient. Das hat am Freitag der Verfassungsgerichtshof in Wien entschieden. Das unter Denkmalschutz stehende ehemalige Gasthaus aus dem 17. Jahrhundert, in dem Hitler 1889 geboren wurde, habe ein "besonderes Identifikationspotenzial", urteilen die Richter.

Die kompromisslose Ablehnung des Nationalsozialismus sei jedoch ein grundlegendes Merkmal der Republik Österreich. Der Staat sei zudem völkerrechtlich verpflichtet, "alle Spuren des Nazismus zu entfernen, um zu gewährleisten, dass nazistische Organisationen nicht in irgendeiner Form wieder ins Leben gerufen werden". Dabei müsse auch Nazi-Propaganda verhindert werden. Um die Anziehungskraft von Hitlers Geburtshaus auf Extremisten zu beseitigen, sei eine starke architektonische Umgestaltung erforderlich, "die dem Objekt den Wiedererkennungswert und die Symbolkraft nimmt". Dies könne nur durch die Enteignung garantiert werden.

Hitler lebte nur als Säugling und Kleinkind in einer Wohnung des dreistöckigen Hauses, in seinem dritten Lebensjahr zog die Familie weg. 1912 kaufte es ein Vorfahre der heutigen Eigentümerin, um darin die Gaststätte "Zum braunen Hirschen" zu betreiben. Später erwarb die NSDAP das Gebäude. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde es der früheren Eigentümerfamilie zurückgegeben, vom Staat angemietet und als Bücherei und Schule genutzt. Zuletzt war eine Behinderteneinrichtung darin untergebracht. Sie zog 2011 aus, weil die Eigentümerin einen behindertengerechten Umbau ablehnte.

Politik, Öffentlichkeit und eine Expertenkommission diskutierten seitdem über die Verwendung des Gebäudes. Vorgeschlagen wurde, ein Museum, eine Begegnungsstätte oder Flüchtlinge darin unterzubringen. Auch ein Abriss wurde erwogen, dann aber verworfen, um nicht den Eindruck zu erwecken, die NS-Geschichte in Österreich verleugnen zu wollen. Schließlich wurde entschieden, Hitlers Geburtshaus durch weitgehende Umgestaltung zu dekonstruieren und zu entmystifizieren, damit es nicht mehr so leicht mit Hitler in Verbindung gebracht werden kann. Die Eigentümerin verweigerte jedoch den Umbau und lehnte es auch ab, das Haus an den Staat zu verkaufen. Daraufhin wurde das Gebäude samt angrenzender Garagen und Parkplätze vor einigen Monaten per Gesetz enteignet und der Eigentümerin eine Entschädigung eingeräumt.

Wie die Verfassungsrichter feststellen, wurde das Haus in Braunau bislang "geradezu regelmäßig" von rechtsextremen und neonazistischen Gruppen besucht, um den Nationalsozialismus zu verherrlichen. Ein Architektenwettbewerb soll nun klären, was mit dem Grundstück geschieht. Der Anwalt der bisherigen Eigentümerin kündigte jedoch an, diese werde wahrscheinlich vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg ziehen.

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