Süddeutsche Zeitung

Österreich:Hass und Verachtung sind plötzlich okay

Egal, wie die Wahl in Österreich letztlich ausgeht: Das Land hat sich in den vergangenen Monaten dramatisch verändert.

Kommentar von Cathrin Kahlweit, Wien

Österreich hat einen heftigen und unschönen Wahlkampf erlebt - einen Wahlkampf, an dessen Ende alle einen klaren Sieg von FPÖ-Mann Norbert Hofer erwartet hatten. Doch am Ende wurde es doch zu einer Zitterpartie. Am Abend des 22. Mai konnten sich, beide Seiten Hoffnungen machen: Das FPÖ-Lager um Norbert Hofer hoffte, dass die Republik bald einen rechtspopulistischen Präsidenten hat und sich das Land noch weiter blau einfärbt als bisher. Und das linksliberale Lager um den Grünen Alexander Van der Bellen hoffte, dass Österreich eine moderate, moderierbare Republik bleibt, in welcher der neue Kanzler von der SPÖ, Christian Kern, und ein verantwortungsbewusster Präsident das Land auf Europakurs halten.

Aber ganz egal, wie diese Wahl nun letztlich ausgeht: Das Land hat sich in den vergangenen Monaten schon verändert, und das war dramatisch genug. Die Boulevard-Medien, die FPÖ, aber auch Teile der Volkspartei ÖVP haben die Diktion aufgenommen, die sich in den sozialen Netzwerken schon seit Längerem mit großer Brutalität und völlig undifferenziert niederschlägt: "rasanter Anstieg der Kriminalität", "Frauen können nicht mehr auf die Straße gehen", "Ausländer sind Vergewaltiger und Mörder".

Hass und Verachtung sind plötzlich okay, es geht ja gegen andere, gegen Fremde. So klang Präsidentschaftsbewerber Hofer auf seiner Abschlusskundgebung: Ausländer, denen Österreich am Herzen liege, dürften bleiben. "Aber wer für den IS in den Krieg zieht oder Frauen vergewaltigt, muss gehen."

Hofer suggerierte den Menschen, was gehen könnte

Jede Verallgemeinerung, jede Verleumdung ist mittlerweile in Österreich hoffähig geworden und wird von den Wählern begierig aufgenommen und gespiegelt. Im Wahlkampf ging es längst nicht mehr darum, welcher Kandidat besser für ein Amt geeignet wäre, wer würdig repräsentieren, Sympathien für das Land sichern, Investoren locken, vermitteln und verbinden kann.

Nein, diese Wahl hat Norbert Hofer schon gewonnen, selbst wenn er zum Schluss nicht der Sieger sein sollte. Weil er den Menschen suggerierte, was alles gehen könnte mit einem Bundespräsidenten von der FPÖ: mit dem eisernen Besen kehren, das Establishment in seine Schranken weisen, die alte Ordnung wieder zurückholen. Wer in Österreich noch versucht, zu differenzieren oder zu mäßigen, der hat verloren. Der FPÖ-Generalsekretär etwa äußerte vor der Wahl gar die Vermutung, "Helfershelfer des gegenwärtigen Politsystems" könnten die Gelegenheit nutzen, "dem Wählerwillen zugunsten der Systemrepräsentanten nachzuhelfen". Solche Verschwörungstheorien verbreitet ein hoher Vertreter der Partei, die den Präsidenten stellen will.

Sollte nach Auszählung der Wahlkarten und der großen Städte, die traditionell weniger weit rechts wählen, Alexander Van der Bellen mit hauchdünner Mehrheit gewinnen, dann fängt der echte Kampf um Österreich erst an.

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SZ vom 23.05.2016/fie
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