Österreich:Eine Broschüre bilanziert die Entgleisungen der FPÖ

Heinz-Christian Strache und Norbert Hofer

Die Broschüre zeichnet ein Bild, das die Strategie von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache (l.) stören könnte.

(Foto: picture alliance / dpa)
  • Das Mauthausen Komitee ist ein überparteilicher Verein, der die Erinnerung an die Nazi-Gräuel wachhalten und Rassismus bekämpfen will.
  • Eine Broschüre bilanziert die Entgleisungen der FPÖ. Rund 60 Fälle sind seit 2013 dort aufgelistet.
  • Dokumentiert wird, welche Nähe FPÖ-Funktionäre zu rechtsextremen Kräften pflegen, wie Vorurteile geschürt und Feindbilder geschaffen werden.

Von Peter Münch, Wien

Pünktlich zum 20. April meldete sich in diesem Jahr Franz Schardinger von der FPÖ-Bezirksparteileitung Imst zu Wort: "Happy Birthday, Adolf", gratulierte er via Facebook und stellte eine Fotomontage von Hitler samt Torte daneben. Viel Glück hat dieser Glückwunsch dem Tiroler Funktionär der Freiheitlichen nicht eingebracht: Er wurde aus der Partei ausgeschlossen.

Wie immer war danach seitens der FPÖ viel von einem Einzelfall die Rede. Doch wie viele solcher "Einzelfälle" es bei den Rechtspopulisten gegeben hat, lässt sich nun in einer Broschüre nachlesen, die das Mauthausen Komitee Österreich (MKÖ) an diesem Mittwoch veröffentlicht hat. Rund 60 Entgleisungen seit 2013 sind dort aufgelistet. "Und das sind bei Gott nicht alle Fälle", sagt der MKÖ-Vorsitzende Willi Mernyi.

Das Mauthausen Komitee ist ein überparteilicher Verein, der die Erinnerung an die Nazi-Gräuel wachhalten und Rassismus bekämpfen will; er ist hervorgegangen aus dem Zusammenschluss der Überlebenden des KZ Mauthausen. Das jetzt veröffentlichte Kompendium soll eine Warnung im Wahlkampf sein. Schließlich wird die FPÖ als möglicher Koalitionspartner sowohl für die Volkspartei als auch für die Sozialdemokraten gehandelt. "Das ist eine Anti-Ausreden-Broschüre", sagt Mernyi, "danach soll keiner sagen, das haben wir nicht wissen können."

Dokumentiert wird, welche Nähe FPÖ-Funktionäre zu rechtsextremen Kräften in Österreich und im Ausland pflegen, wie Vorurteile geschürt und Feindbilder geschaffen werden. So werden Flüchtlinge als "Parasiten" oder als "Erd- und Höhlenmenschen" beschimpft, und längst nicht nur die niederen Chargen der Partei fallen mit Rassismus auf. Zu erinnern ist da zum Beispiel an den EU-Abgeordneten Andreas Mölzer, der die Europäische Union 2014 mit dem "Dritten Reich" verglich und als "Negerkonglomerat" schmähte. Zurücktreten musste er allerdings erst, als ihm kurz darauf noch eine Beleidigung des Fußball-Nationalspielers David Alaba vorgeworfen wurde.

Die braunen Schatten stören

Längst nicht alle Fälle enden mit einem Rücktritt oder Rausschmiss. "Das kommt nie von allein", meint Mernyi. "Konsequenzen werden erst gezogen, wenn die öffentliche Debatte so groß ist, dass ein Schaden droht." Als Paradebeispiel dafür kann das diesjährige Sommertheater um den Parlamentsabgeordneten Johannes Hübner gelten. Im Juli war bekannt geworden, dass er im Vorjahr in Thüringen eine Rede vor der rechtsextremen "Gesellschaft für freie Publizistik" gehalten hatte - gespickt mit antisemitischen Stereotypen. Seine Kandidatur im aktuellen Wahlkampf zog Hübner erst zurück, als klar wurde, dass die Volkspartei und die SPÖ ihn als Koalitionshindernis sahen.

All die "Einzelfälle" ergeben ein Bild, das die Strategie von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache stören könnte. Er gibt sich jüngst gern staatsmännisch und besonnen, da stören die braunen Schatten. Beim ORF-Sommergespräch am Montagabend spielte er auch den Fall Hübner herunter und sprach von "missverständlichen Äußerungen" und "Unterstellungen". Willi Mernyi vom Mauthausen Komitee will sich davon nicht täuschen lassen. Bei der FPÖ gehe es ja "nicht um besoffene Skinheads, sondern um eine Partei, die in die Regierung will."

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