Österreich:Freiheit im Spionageparadies

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Egisto Ott soll dem ehemaligen Wirecard-Manager Jan Marsalek zugearbeitet haben, der nach Erkenntnissen westlicher Geheimdienste einen Spionagering für den Kreml leitete. (Foto: Christian Marquar/Getty Images)

Warum in Österreich ein ehemaliger Geheimdienstmann, der für Russland gearbeitet haben soll, aus der Haft entlassen wird.

Kolumne von Cathrin Kahlweit

Eigentlich wollte ich Ihnen zu Beginn der sehr langen Sommerpause in Österreich, an deren Ende ein eher kurzer Wahlkampf und womöglich sehr lange Verhandlungen über eine künftige Regierung stehen werden, mal etwas Leichtes präsentieren. Poesie und Blumen zum Beispiel.

Denn einer der wunderbarsten Orte in Wien ist der Volksgarten zwischen Rathaus und Burgtheater. Nicht allein wegen der prächtigen Rosen, die dort im Rund vor sich hinblühen, sondern vor allem wegen der rührenden Liebeserklärungen, Gedichte und Widmungen, die sich auf Hunderten Schildern unter den Rosenstöcken finden – und die mir an grauen Tagen einen rosaroten Blick auf die Welt verschaffen. Man kann diese Schilder mieten und selbst betexten; der Volksgarten wird dadurch zu einer großen Liebeslaube.

Aber daraus wird nichts, die Liebe muss warten. Denn am Mittwoch wurde bekannt, dass das Oberlandesgericht (OLG) in Wien angeordnet hat, den mutmaßlichen österreichischen Spion Egisto Ott aus der Untersuchungshaft zu entlassen. Ein dringender Tatverdacht bestehe zwar, so das OLG, aber keine Tatbegehungsgefahr. Er habe also etwas angestellt, man könne aber nicht davon ausgehen, dass er wieder etwas anstellt. Ob Ott frei bleiben wird? Man weiß es nicht. Es gibt offenbar einen dicken Ermittlungsakt, aber noch immer keine Anklage.

In Moskau dürfte man feixen, und der Ruf von Österreich als Spionageparadies und Mekka russischer Agenten ist wieder einmal bestätigt. Nur wenige Monate sind vergangen, nachdem sich alle Parteien in Wien (bis auf die FPÖ, die mit einigen der handelnden Personen gut Freund ist) darauf geeinigt hatten, endlich mal genauer hinzuschauen, wo der russische Geheimdienst FSB überall seine Finger drinhat. Und selbstkritisch zu hinterfragen, warum Wien als „Insel der Seligen für Geheim- und Nachrichtendienste aus aller Welt“ gilt. Oder ob das Misstrauen fremder Dienste gegenüber den österreichischen Partnern vielleicht berechtigt ist.

SZ-Podcast "Auf den Punkt"
:Der Fall Egisto Ott: Österreichs gefährlichster Spion?

In Österreich ist ein Mann verhaftet worden, von dem es heißt, er könnte einer der gefährlichsten Spione des Landes sein: Egisto Ott. Wer ist er und was hat er mit Jan Marsalek zu tun?

Von Franziska von Malsen und Jörg Schmitt

Sogar ein Gesetz sollte umgehend geändert werden. Denn Spionage ist nach dem Strafgesetzbuch nur strafbar, wenn sie sich gegen die Interessen Österreichs richtet. Nicht aber, wenn andere Staaten oder internationale Organisationen ausgekundschaftet werden.

Ott wird vorgeworfen, vor allem im Interesse Russlands aktiv gewesen zu sein. Der frühere Mitarbeiter des früheren Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) soll, um genau zu sein, unter anderem dem ehemaligen Wirecard-Manager Jan Marsalek zugearbeitet haben, der sich nach Russland abgesetzt hat und nach Erkenntnissen westlicher Geheimdienste einen Spionagering für den Kreml leitete.

Ott sagt, er sei journalistisch tätig gewesen

Ott soll Zuträger und Datenlieferant gewesen sein, immer wieder, auch nach einer Versetzung und zwei Suspendierungen, nach zweimaliger Untersuchungshaft, nach erneuten Hinweisen von ausländischen Diensten; er konnte offenbar immer weitermachen, weil er trotz seiner Vorgeschichte nicht beobachtet oder überwacht wurde und daher nicht aufflog. Er soll mit Hilfe von Bekannten, die für ihn geheime Daten abfragten, oder auch ganz direkt, indem er Handys und Laptops mit vertraulichen Informationen an den FSB, den russischen Geheimdienst, übergab, für Moskau gearbeitet haben.

Ott selbst sagt übrigens, er sei eher journalistisch tätig gewesen. Ich persönlich höre das mit einiger Verwunderung. Ich habe noch nie Handys von hohen Regierungsmitarbeitern daheim zertrümmert, die mir – so wie es Ott angibt –, jemand in den Briefkasten geworfen hat. Nur mal so als Beispiel für die Glaubwürdigkeit des Herrn.

Nun durfte Ott also nach Hause gehen. Die Abgeordneten gehen derweil in die Sommerferien; eine Änderung des Spionagegesetzes soll an der ÖVP gescheitert sein. Otts Freunde haben sich nach Dubai und nach Moskau abgesetzt. Vielleicht schickt der dreimalige Untersuchungshäftling, dem keine Fluchtgefahr attestiert wurde, ja demnächst ein Selfie mit Marsalek vom Roten Platz.

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