Österreich:Die Angst der Linken vor den Rechten

Austrian Chancellor Faymann arrives for the inauguration of new government members at the presidential office in Vienna

Gilt schon lange als uncharismatisch, führungsschwach und ideenlos: Österreichs Kanzler Werner Faymann

(Foto: REUTERS)

Schon lange vor dem Vormarsch der FPÖ galt Werner Faymann in Österreich als führungsschwach und ideenlos. Nimmt die SPÖ den Ausweg, ihren Kanzler zu kippen?

Kommentar von Cathrin Kahlweit, Wien

Zum Regieren brauche er "Bild, BamS und Glotze", hat Gerhard Schröder einmal gesagt. Aber der einstige Medienkanzler war, was sein Nahverhältnis zu einigen Presseerzeugnissen anging, ein Waisenknabe im Vergleich zu seinem derzeit amtierenden österreichischen Kollegen, Bundeskanzler Werner Faymann. Der pflegt eine so intime Verbindung zu manchen Boulevardzeitungen, allen voran zur Kronen Zeitung, dass dort, wo die Sozialdemokraten regieren, nicht nur ein Großteil aller öffentlichen Inserate an diese Blätter fließt, sondern auch politische Vorstöße gern koordiniert werden.

Als unvergessen blamabel gilt in Österreich: Ein Kurswechsel in der Europapolitik wurde 2008 zuerst in einem Brief den Herausgeber der Krone angekündigt, bevor die Parteigremien informiert wurden.

Vergangene Woche hat Faymann sich erneut blamiert. Erst machte er das ewige Gezerre um fehlende Flüchtlingsunterkünfte im ganzen Land endlich zur Chefsache und berief einen Asylgipfel ein. Dann aber feierte er das Ergebnis der Verhandlungen mit dem Koalitionspartner ÖVP vorab in der Krone als Erfolg - bevor die Sitzung überhaupt begonnen hatte.

Die SPÖ fürchtet ein Wahldebakel und will ihren Kanzler stürzen

Die ÖVP las jedoch auch Zeitung, fühlte sich veräppelt, und Faymanns Vorstoß wurde zum Debakel. Für die Flüchtlinge, aber auch für die SPÖ. Denn der Asylgipfel endete mit ein paar unverbindlichen Ankündigungen, und der Kanzler steht seither mehr denn je unter Beschuss. Als fraglich gilt eigentlich nicht mehr, ob er sich halten kann, sondern nur: wie lange noch?

Die Nemesis beider Großkoalitionäre heißt FPÖ, aber die Sozialdemokraten leiden stärker an der rechtspopulistischen Konkurrenz als die Bürgerlichen, weil SPÖ und FPÖ zum Teil die gleiche Klientel vertreten: Arbeiter und die so genannten kleinen Leute. Derzeit befindet sich die FPÖ im Höhenflug; im Bundesland Oberösterreich, wo im September gewählt wird, liegt sie schon vor den Linken, in Wien nicht mehr weit dahinter. Hinter vorgehaltener Hand hört man von Genossen, das Ergebnis werde "demütigend und desaströs" - wenn nicht noch etwas geschehe.

Was aber geschehen soll, was den Rechtspopulisten entgegengesetzt werden kann, um den Niedergang der großen Volkspartei nicht nur kurzfristig, sondern dauerhaft zu stoppen, daran scheiden sich die Geister. Linke Programmatik recyceln? Den Koalitionspartner stärker konfrontieren - auch auf die Gefahr hin, dass das ohnehin wacklige Bündnis vor dem Ende der Legislaturperiode bricht und dann die ÖVP mit den Freiheitlichen das Land regiert, wie sie es Anfang der Nullerjahre tat?

Neuwahlen wollen beide Seiten vermeiden, denn dann stünde womöglich ein FPÖ-Kanzler ante portas. Noch gilt das als schwer vorstellbar; die Rechtspopulisten werden als Protestpartei gewählt und sollen, auch in den Augen vieler Wähler, Protestpartei bleiben. Aber die Machtverhältnisse in Österreich ändern sich. Kaum noch ein Experte wagt vorherzusagen, wie sich die politische Landschaft entwickelt. Bleibt als naheliegender Ausweg: den Kanzler zu kippen. Der gilt schon lange als uncharismatisch, führungsschwach und ideenlos, daher erscheint das als einfachste Lösung. Anderer Chef, mehr Schwung.

Zwar weiß man auch in Wien, dass neue Gesichter an der Spitze in der Regel nur kurz für positive Stimmung sorgen, wenn grundlegende Struktur- und Motivationsprobleme nicht gelöst werden. Gleichwohl werden bereits mehrere populäre Nachfolger für Werner Faymann öffentlich, die wahrscheinlicheren Kandidaten nichtöffentlich gehandelt. Der Kanzler selbst, der lieber mit geneigten Medien spricht, als sich der direkten Auseinandersetzung mit Kritikern zu stellen, gibt sich selbstbewusst: Er werde die SPÖ 2018 "wieder an die erste Stelle führen". Fragt sich nur, wie.

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