Süddeutsche Zeitung

Putin in Österreich:Den Alpen zugeneigt

  • Zum sechsten Mal besucht Russlands Präsident Wladimir Putin Wien.
  • Um Russlands Beziehungen zu Österreich ist es besser bestellt als um die zu den meisten anderen EU-Staaten.
  • Das liegt auch an Vize-Kanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache. Er schenkt Putin zu seinem Besuch ein Interview.

Von Peter Münch, Wien

Wladimir Putin ist zu Besuch bei Freunden. Sanft lächelnd absolviert er den ehrenvollen Empfang in der Hofburg, wo Russlands Präsident zum Auftakt seiner Gespräche in Wien mit dem österreichischen Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen zusammentrifft. Flott weiter geht's danach zu Kanzler Sebastian Kurz, den Putin erst im Februar im Kreml empfangen hat. "Wir schätzen die Position Österreichs", hatte der Gast aus Moskau schon vorab in einem ORF-Interview wissen lassen. "Die Beziehungen haben traditionell partnerschaftlichen Charakter", sagt er dann in Wien vor der Presse.

Auf europäischem Boden hat Putin nicht allzu oft Gelegenheit zu solcher Süßholzraspelei. Und noch seltener wird er, seitdem das Verhältnis zwischen Russland und der EU wegen der Annexion der Krim chronisch angespannt ist, mit so weit geöffneten Armen empfangen wie in Wien. Kurz definiert seine Rolle im Verhältnis zu Russland gern als "Brückenbauer". Und Putin bedankt sich dafür mit einer ungewöhnlichen Aufmerksamkeit gegenüber der Alpenrepublik, die er früher vor allem als Skifahrer zu schätzen wusste. Als Präsident ist er nun schon zum sechsten Mal in Wien; der Arbeitsbesuch am Dienstag ist seine erste Auslandsreise in ein europäisches Land seit der Wiederwahl.

Im Gegenzug hat es auch an Freundschaftsbeweisen von österreichischer Seite in jüngster Zeit nicht gefehlt. Nach dem versuchten Giftmord am früheren Geheimdienstagenten Sergej Skripal in London hatte die Führung in Wien im Gegensatz zu den meisten EU-Partnern keine russischen Diplomaten ausgewiesen. Kurz erklärte das mit "traditionell guten Kontakten zu Russland". Vor allem aber kann Putin im Konflikt um die 2014 verhängten EU-Sanktionen gegen sein Land auf mindestens ein offenes Ohr in der österreichischen Regierung vertrauen.

Die Sanktionsfrage kommt wieder auf die Agenda, wenn Österreich den EU-Ratsvorsitz übernimmt

Seit Dezember sitzt schließlich die FPÖ mit an den Schalthebeln der Macht, und die hat ihre Beziehungen zu Moskau sogar in einem "Freundschaftsvertrag" mit der Kreml-Partei Einiges Russland geregelt. FPÖ-Politiker verdingten sich 2014 zudem als "Wahlbeobachter" beim Krim-Referendum, mit dem Russland die völkerrechtswidrige Annexion zu legitimieren versuchte. Und als kleine Morgengabe zu Putins Wien-Besuch hat FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache über die Boulevardzeitung Österreich verkündet, es sei "höchste Zeit, diese leidigen Sanktionen zu beenden und die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu Russland zu normalisieren."

Dafür, dass Strache mal eben in einem Interview mit einem krawalligen Gratisblatt die unter 28 EU-Staaten abgestimmte Sanktionspolitik über den Haufen wirft, kann der russische Präsident durchaus dankbar sein. In Wien nennt er die Sanktionen "schädlich für alle". Strache darf dann als Vizekanzler zum Gespräch dazustoßen, das Kurz mit Putin im Kanzleramt am Ballhausplatz führt. Vom Wiener Regierungschef verlangt die heikle Frage allerdings einen Balance-Akt. Nach dem Gespräch mit Putin betont er, dass Österreich "als aktives EU-Mitglied Entscheidungen wie die Sanktionen selbstverständlich mitträgt."

Er hoffe aber auf Fortschritte im Dialog zwischen Russland und der EU. Die Sanktionsfrage wird schnell wieder auf die Tagesordnung kommen, wenn Österreich zum 1. Juli die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt. Denn die EU muss alle sechs Monate einstimmig die Strafaktion verlängern. Einfacher dürfte das nicht geworden sein, denn Putin sammelt derzeit nicht nur in Österreich Punkte. Freuen darf er sich auch noch über eine russlandfreundliche neue Regierung in Italien. Dass er es mit einer gezielten Unterstützung rechter Populisten auf eine Spaltung der EU abgesehen hat, wies er jedoch vehement zurück. "Wir sind vielmehr daran interessiert, dass die EU geeint ist und floriert, weil sie unser wichtigster Handels- und Wirtschaftspartner ist", sagte er in einem fast einstündigen Interview, das er dem ORF-Journalisten Armin Wolf vorab in Moskau gewährt hatte.

Die Wirtschaftsbeziehungen sind dann auch der eigentliche Anlass für den Besuch Putins in Wien. Zu feiern gilt es den 50. Jahrestag des Beginns sowjetischer Gaslieferungen nach Europa, und auch dieser Anfang lag in Österreich. Bei einem für den frühen Abend angesetzten Treffen in der Wirtschaftskammer wollte Putin noch mit Unternehmern aus beiden Staaten zusammenkommen. Auch hier dürfte ein Ende der Sanktionen im Interesse aller liegen.

Zum Abschluss des insgesamt nur zehnstündigen Besuchs steht schließlich noch ein Termin im Kunsthistorischen Museum auf dem Programm. "Die Eremitage zu Gast. Meisterwerke von Boticelli bis van Dyck" heißt die von Putin gemeinsam mit Van der Bellen zu eröffnende Ausstellung. Schon bei einem seiner früheren Österreich-Besuche hatte Russlands Staatschef seinen Gastgebern mit dem Satz geschmeichelt, bei ihren beiden Nationen handele es sich ja um "kulturelle Großmächte". Nun hat er 14 Gemälde aus Sankt Petersburg mitgebracht, die bis zum September zusammen mit Bildern aus dem Wiener Bestand zu sehen sein werden. Danach wird die Ausstellung in St. Petersburg präsentiert, zur Festigung der Freundschaft.

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Quelle:
SZ vom 06.06.2018
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