Corona in Österreich:Rauchs Free Solo

Corona in Österreich: Österreichs Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) bekommt viel Gegenwind für das Aus der Corona-Quarantäne von 1. August an.

Österreichs Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) bekommt viel Gegenwind für das Aus der Corona-Quarantäne von 1. August an.

(Foto: Martin Juen/IMAGO/SEPA.Media)

Österreichs Gesundheitsminister Johannes Rauch verkündet das Aus der Quarantänepflicht. Ist diese neue Maßnahme in der Corona-Pandemie noch Risikomanagement oder schon Harakiri?

Von Dominik Prantl

Weil ich gerne in die Berge gehe und mich damit sogar beruflich beschäftigen darf, habe ich mir im Laufe der Jahre die Angewohnheit angeeignet, Vergleiche mit der Bergwelt zu ziehen. Als Österreichs Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) vor wenigen Tagen das Quarantäne-Aus für große Bereiche des öffentlichen Lebens verkündete, dachte ich daher kurz an eine alpinistische Disziplin, die sich Free Solo nennt. Berühmt wurden damit beispielsweise die Spitzenkletterer Alex Huber und Alex Honnold; Letzterer hat sogar einen oscarprämierten Film namens "Free Solo" gedreht. Schon beim Zusehen bekommt man feuchte Finger.

Wer Free Solo klettert, hat keinen Partner und kein Seil und keinen Haken dabei; ein Sturz bedeutet fast immer den Tod. Für gute Alpinisten aber ist Free-Solo-Klettern kein Harakiri, sondern perfektes Risikomanagement. Sie wissen - im Normalfall - genau, was auf sie zukommt, haben die Tour schon etliche Male gemacht und kennen die schwierigen Stellen und die weniger schwierigen. Sie müssen sich ihrer Sache sehr, sehr sicher sein. Es ist das pure Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten.

Im übertragenen Sinne: Kennt Rauch die Wand, in die er da von 1. August an einsteigen möchte, wirklich so gut, oder will er - angefeuert von Wirtschaft, Koalitionspartner und den vielen Genervten (ja, es gibt Gründe, gegen die Quarantäne zu sein!) - einfach nur wieder raus aus dem trüben Tal des Corona-Alltags? Sieht Rauch vor lauter Freiheitsdrang womöglich den Berg nicht mehr, wenn er auf FFP2-Masken bei Corona-Infizierten, Abstandsregelungen und die Vernunft der Masse ("Wer krank ist, bleibt zu Hause") als Schutzmaßnahmen vertraut? Ist eine in vielen Teilen nicht bis ins Detail durchdachte und zudem mangelhaft kommunizierte Verordnung also noch Risikomanagement oder schon Harakiri? Und wie soll das genau gehen, wenn man mit Corona zwar ins Restaurant darf, aber dort Maske tragen muss?

Gesundheitsexperten warnen vor der neuen Regelung

Viele Gesundheitsexperten wie die Covid-Krisenbekämpfer der Gecko warnen angesichts einer Sieben-Tage-Inzidenz von mehr als 700 und Sommer-Höchstwerten an Patienten mit Covid-19 in den Krankenhäusern jedenfalls, die Quarantäneregelung als wichtigste Sicherung fallenzulassen. Dass dies in anderen Staaten funktioniert, ist laut Gecko unter anderem auf deren höhere Durchimpfungsraten zurückzuführen. Die SPÖ-regierten Bundesländer reagieren derweil allein aus Oppositionsprinzip stinksauer auf den schlecht vorbereiteten Alleingang der Regierung. Selbst Rauchs Ehefrau Gabriele Sprickler-Falschlunger, Allgemeinärztin und Vorarlberger SPÖ-Chefin, teilte ihrem Mann per Presseaussendung mit (nein, das ist kein Kolumnen-Witz, sondern einfach österreichische Realität), dass sie es ziemlich abenteuerlich findet, in welches Terrain sich ihr Mann da nun so wagt. Tenor der Kritik: Die echten Schwierigkeiten kommen im Herbst erst noch.

Mir fiel dann sehr schnell auf, dass der Corona-Kletter-Vergleich nicht ganz zutrifft. Denn beim Solo-Klettern ist man alleine unterwegs, also nur für sich selbst verantwortlich. Das ist der große Unterschied: Bei einem Sturz reißt man nicht all die anderen mit.

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