Österreich:Die Impfpflicht könnte fallen

Österreich: Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen in Wien - neben der Impflotterie wird womöglich auch die Impfpflicht in Österreich nicht kommen.

Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen in Wien - neben der Impflotterie wird womöglich auch die Impfpflicht in Österreich nicht kommen.

(Foto: Georges Schneider/Imago)

Der österreichische Bundeskanzler Nehammer stellt die Maßnahme infrage, nachdem sich schon mehrere Landeshauptleute gegen sie ausgesprochen haben. Dabei waren die es, die die Impfpflicht gefordert hatten.

Von Cathrin Kahlweit, Wien

Der österreichische Bundeskanzler Karl Nehammer hat vergangene Woche in Osttirol mit seiner Familie Urlaub gemacht. Nicht allein, sondern gemeinsam mit den Familien der Verteidigungsministerin und der niederösterreichischen Landeshauptfrau. Fast alle Medien berichteten über die Familienferien der ÖVP, und fast alle berichteten dann auch über Nehammers Rückreise im Auto. Vom Beifahrersitz aus gab er nämlich der Kronen Zeitung ein launiges Interview, in das sich kurzfristig auch seine Frau einmischte und das damit endete, dass sein Sohn an einer Raststätte gern eine Schnitzelsemmel essen wollte.

All das ist wegen zweier Nachrichten erwähnenswert, die der Kanzler dabei wie nebenher servierte: Die Impflotterie, welche die schwarz-grüne Koalition fast gleichzeitig mit der Ankündigung des Gesetzes zur Impfpflicht präsentiert hatte, wird es nun doch nicht geben. Jeder zehnte Geimpfte sollte demnach Gutscheine im Wert von 500 Euro gewinnen und bei heimischen Betrieben einlösen können.

Veranschlagt waren dafür bis zu einer Milliarde Euro, abwickeln sollte das Ganze der ORF. Der war aber offenbar vorab nicht gefragt worden und mochte nicht mitspielen. Nehammer schlug nun vor, das Geld an Menschen auszuzahlen, die in der Pandemie besonders viel geleistet hätten. Seine Idee sei die Impflotterie ohnehin nicht gewesen, die SPÖ habe sie gewollt. Die dementierte umgehend.

Ebenso nebenbei servierte der Kanzler aber noch viel größere News: Auch die Impfpflicht selbst könnte fallen. Wenn die von der Regierung beauftragte Expertenkommission dafür plädiere, das Gesetz auszusetzen, werde man dem entsprechen. Die Impfpflicht sei für ihn, so der Kanzler, "ein Werkzeugkoffer, mit dem wir gegen das Virus arbeiten. Und wir werden dann ein Werkzeug einsetzen, wenn es notwendig ist". In den vergangenen Tagen hatten sich bereits mehrere Landeshauptleute gegen die Impfpflicht ausgesprochen - obwohl das Gesetz de facto seit Anfang Februar in Kraft ist, aber noch nicht umgesetzt wird. Die Landeschefs selbst waren es im Übrigen gewesen, die im vergangenen Herbst die Impfpflicht gefordert hatten.

Die Debatte über den Umgang mit und das Chaos um die Bekämpfung der Pandemie überlagert derweil, womöglich absichtsvoll, mehrere innenpolitische Themen, die der ÖVP - und auch dem ehemaligen Koalitionspartner FPÖ - noch große Probleme bereiten könnten. So berichtete die Wochenzeitung Falter vergangene Woche über massive Interventionen ÖVP-naher hoher Justizbeamter in die Arbeit der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), die gegen eine Reihe konservativer Politiker aus der Ära von Ex-Kanzler Sebastian Kurz ermittelt. Und die Tageszeitung Die Presse publiziert derzeit täglich Details aus einem stetig wachsenden Ermittlungsakt rund um Skandale im - mittlerweile umstrukturierten und umbenannten - "Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung" (BVT).

Demnach sollen ehemalige BVT-Beamte über aktive Mitarbeiter des Amtes Informationen gekauft und weitergegeben, Wirtschaftsbetrügern wie Wirecard-Vorstand Jan Marsalek geholfen, geheime Daten an einen Nationalratsabgeordneten der FPÖ, aber auch an Oppositionspolitiker geliefert und Auslands-Spionage betrieben haben. Noch immer seien wohl nicht alle Lecks in der Behörde gefunden, heißt es.

Das Interview von Karl Nehammer samt Stilfragen wie Selfies aus dem Auto dominiert jedoch - vorerst noch - die Debatte.

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