Österreich:Nichts von Substanz

Österreich: Alexander Van der Bellen kam zwar zur Wahldiskussion im ORF, wollte aber keine direkte Konfrontation mit den anderen Bewerbern.

Alexander Van der Bellen kam zwar zur Wahldiskussion im ORF, wollte aber keine direkte Konfrontation mit den anderen Bewerbern.

(Foto: Georg Hochmuth/picture alliance)

Österreich wählt endlich den Bundespräsidenten. Der Wahlkampf war mit seiner Brachialrhetorik und Dumpfheit reich an Tiefpunkten.

Von Alexandra Föderl-Schmid

Es ist gut, dass dieser bizarre Wahlkampf so gut wie vorbei ist. Die letzten TV-Auftritte der Kandidaten für die Bundespräsidentenwahl am Sonntag brachten keine neue Erkenntnisse, höchstens weitere Anlässe, angesichts der teils obskuren Aussagen an der Sinnhaftigkeit dieser Wahl zu zweifeln oder schlicht zu verzweifeln.

Glückliches Österreich? In Deutschland gibt es kein öffentliches Werben um Stimmen für das höchste Amt. Die Bundesversammlung wählt den Bundespräsidenten - angesichts der Mehrheitsverhältnisse im Bundestag und den Volksvertretungen in den Ländern ist ohnehin schon alles vor der Stimmabgabe klar. Meine Überzeugung, dass das österreichische Modell demokratiepolitisch das bessere ist, weil das Volk direkt das Staatsoberhaupt bestimmen kann, ist in den vergangenen Wochen gehörig ins Wanken geraten. Denn dieser Wahlkampf mit seiner Brachialrhetorik und Dumpfheit war an Tiefpunkten kaum zu überbieten.

Ausschließlich Männer fordern Amtsinhaber Van der Bellen heraus

Was blieb also hängen, nachdem den ausschließlich männlichen Herausforderern von Bundespräsident Alexander Van der Bellen medial eine Bühne geboten wurde, auf der sie ihre Weltsicht ausbreiten konnten? Dass angeblich die CIA hinter der "Me Too"-Debatte steckt und sich Bewerber um das höchste Amt im Staate als Faktenleugner präsentierten. Befremdlich ist auch, wenn jemand, der für ein Amt kandidiert, in dem man die Verfassung achten muss, die Forderung aufstellt, dass jeder bei der Befolgung von Gesetzen "einen Spielraum" brauche, um zu bewerten, ob diese sinnvoll seien. Und dass jemand dann auch noch die Meinung vertritt, das "Rechtsempfinden" reiche aus. Es zeugt auch von einer erstaunlichen Sicht auf den Rechtsstaat, dass ausgerechnet jene, die als Beruf Rechtsanwalt angeben, diesen anzweifeln.

Dem Amtsinhaber Alexander Van der Bellen ist zwar vorzuwerfen, dass er sich einer direkten Auseinandersetzung mit den anderen Bewerbern entzogen hat. Aber angesichts des Niveaus des Wahlkampfes ist es ihm nicht zu verdenken. Eine Konfrontation der Kandidaten mit Verfassungsrechtlern hätte vermutlich mehr Erkenntniswert gebracht - auch für die Bewerber.

Dieser Wahlkampf hat jedenfalls gezeigt, wie wichtig Aufklärung und Wissensvermittlung sind. Das ist auch die zentrale Aufgabe von Medien. Just in in dieser Woche hat die Bundesregierung bekannt gegeben, die älteste Tageszeitung der Welt, die Wiener Zeitung, in ihrer bisherigen Form einzustellen. Bei den Inseraten soll es - laut den Plänen für die Neugestaltung der Medienförderung - zwar mehr Transparenz, aber auch künftig keine Obergrenze geben. Und der ORF kündigt an, beim publizistischen Aushängeschild Ö1 zu sparen, und bietet in offenbar selbstzerstörerischer Absicht selbst an, das Informationsangebot auf orf.at zu halbieren. Das sind medien- und demokratiepolitisch bedenkliche Entwicklungen, die hier in Österreich im Gange sind. Aber im Wahlkampf spielte das, abgesehen von der Frage der GIS-Finanzierung des ORF, keine Rolle. Das war ein Pflanz und nichts von Substanz.

Diese Kolumne erscheint am 7. Oktober 2022 im Österreich-Newsletter, der die Berichterstattung der SZ zu Österreich bündelt. Gleich kostenlos anmelden.

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