Der österreichische Bundespräsident muss nicht in die Stichwahl: Alexander Van der Bellen, der sich bei der Wahl am Sonntag gleich sechs Gegenkandidaten gegenübergesehen hatte, wurde im ersten Anlauf mit 54,6 Prozent der Stimmen wiedergewählt. Der 78-jährige Tiroler erspart sich damit die Demütigung, als erster Amtsinhaber, der zur Wiederwahl antritt, nicht die absolute Mehrheit zu holen. Demoskopen hatten das in den vergangenen Wochen für zumindest möglich gehalten.
Die Erleichterung über das Ergebnis war im Van-der-Bellen-Lager nicht zu überhören. Frühere Bundespräsidenten waren bei ihrer Wiederwahl in der Zweiten Republik fast immer über 60 Prozent gekommen. Aber die Voraussetzungen in diesem Wahlkampf waren selbst für einen etablierten und scheinbar konkurrenzlosen Amtsinhaber, der sich in seinen sechs Dienstjahren viel Respekt erarbeitet hatte, ungewöhnlich verlaufen. Anstelle von seriösen Gegenkandidaten etablierter Parteien, die im Nationalrat vertreten sind, hatten sich diesmal, bis auf einen Kandidaten der FPÖ, vorwiegend Vertreter von Kleinstparteien sowie parteilose Individualisten zur Wahl gestellt.
Die Rechte mit ihren Kandidaten kam zusammen auf rund 30 Prozent
Der FPÖ-Politiker Walter Rosenkranz kam am Sonntag auf 19,1 Prozent der Wählerstimmen und schnitt damit besser ab, als die Umfragen ihm vorausgesagt hatten. Das Feld der übrigen fünf Bewerber war extrem bunt gemischt gewesen. Drei rechtspopulistische Kandidaten, der Boulevardzeitungskolumnist Tassilo Wallentin (8 Prozent), der Chef der Coronaleugner-Partei MFG, Michael Brunner (2) und der Ex-FPÖ-Politiker Gerald Grosz (6), holten dabei zusammen immerhin 16 Prozent. Addiert man noch die rechtspopulistische FPÖ dazu, erreichte die Rechte alles in allem mehr als 30 Prozent.
Zwei Drittel ihrer Wähler gaben laut einer Analyse der Wahlmotive im ORF an, diese Kandidaten repräsentierten einen "Gegenpol zum System". Zwei Bewerber aus dem linken Spektrum waren ebenfalls angetreten, darunter der junge Arzt und Rockmusiker Dominik Wlazny, der vor allem in Großstädten punktete (8 Prozent), sowie der Schuhfabrikant Heinrich Staudinger aus dem Waldviertel (1,6).
SPÖ und ÖVP hatten von Anfang an gar keine eigenen Kandidaten aufgestellt, aber auch für Van der Bellen, der ursprünglich aus dem grünen Lager stammt, keine Wahlempfehlung abgegeben; die Neos stellten sich immerhin eindeutig hinter den Amtsinhaber, der 2016 gewählt und für eine erste Amtszeit 2017 vereidigt worden war. Auch das hatte intern Diskussionen ausgelöst.
Die Presse forderte in ihrem Kommentar nach der Wahl, die Modalitäten gehörten dringend geändert: Skurrile Kandidaten und sonderbare Themen hätten die wahren Probleme der Zeit verdrängt; dass fast alle anderen Parteien keinen eigenen Mann geschweige denn eine Frau ins Rennen geschickt hätten, zeige die fehlende Begeisterung für eine lebendige Demokratie.
Van der Bellen hatte sich zudem den Fernsehduellen aller Kandidaten ebenso verweigert wie den Elefantenrunden, wofür er auch Kritik erntete, weil er damit den Diskurs Demokratieskeptikern und Demagogen überlassen habe. So war der TV-Wahlkampf dominiert gewesen von Politikern und Newcomern, die über die Entlassung der Regierung, den Austritt aus der EU und die Abschaffung aller Russland-Sanktionen schwadronierten, sich über Covid-Maßnahmen echauffierten und das "Establishment" angriffen.
In Zeitungskommentaren war von "Clowns" und "Spaßpolitikern" die Rede gewesen. Der Standard kommentierte das Wahlergebnis mit der bissigen Feststellung, die Herausforderer hätten sich "redlich bemüht, das Amt zu beschädigen. Die Radikalität, die im Kampf um die öffentliche Aufmerksamkeit zutage getreten ist, ließ einen zuweilen ratlos oder sogar eingeschüchtert zurück".