Wirecard-Skandal:Österreichischer Verfassungsschutz gerät immer mehr ins Zwielicht

Wirecard-Skandal: Das Wirecard-Gelände am Einsteinring in Aschheim.

Das Wirecard-Gelände am Einsteinring in Aschheim.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Das BVT gilt seit Langem als schlecht organisiert und personell ausgedünnt. Nun steht unter anderem ein ehemaliger Abteilungsleiter im Verdacht, Wirecard-Manager Jan Marsalek zur Flucht verholfen zu haben.

Von Cathrin Kahlweit, Wien

Die Fluchthilfe für den Wirecard-Manager Jan Marsalek nach Belarus durch zwei Österreicher hatte in Wien schon in den vergangenen Tagen viel Unruhe ausgelöst. Seitdem die Staatsanwaltschaft Hausdurchsuchungen bei Mitarbeitern des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) vornehmen ließ und mindestens eine weitere Festnahme anordnete, verlagert sich das politische Interesse nun endgültig auf das BVT.

Einer der beiden Fluchthelfer von Marsalek war offenbar der Ex-FPÖ-Nationalratsabgeordnete Thomas Schellenbacher, der seit Jahren wegen Korruptionsvorwürfen im Visier der Ermittler steht und bereits eingeräumt hat, für Marsalek einen Flug nach Minsk organisiert zu haben. Der andere war ein ehemaliger Abteilungsleiter des BVT, Martin W. Beide Männer wurden vergangene Woche verhaftet, W. aber am Sonntag wieder auf freien Fuß gesetzt. Außerdem wurde am Wochenende ein weiterer BVT-Mitarbeiter in Kärnten festgenommen.

Das Bundesamt steht ohnehin seit Jahren in den Schlagzeilen. Eigentlich soll in diesem Frühjahr eine grundlegende Erneuerung des Dienstes starten. Innenminister Karl Nehammer will die Arbeit des BVT "professionalisieren". Vor zwei Jahren, als das Amt noch FPÖ-Innenminister Herbert Kickl unterstand, hatte eine Razzia Aufsehen erregt, die auf ein - von W. erstelltes - Dossier voller dubioser Anwürfe gegen BVT-Mitarbeiter zurückgehen soll. Daraufhin hatte eine Einsatztruppe für Straßenkriminalität unter Führung eines FPÖ-nahen Polizisten 2019 das BVT gestürmt und körbeweise sensible Dokumente mitgenommen. Die Opposition bezeichnete die Razzia als Versuch, den Verfassungsschutz "politisch umzufärben".

Das BVT gilt seither als schlecht organisiert und personell ausgedünnt, die Stimmung intern als zerrüttet. Im Herbst 2020 kam dann neuer Ärger hinzu, als die Terrorbekämpfer Informationen über einen bekannten Islamisten zu spät und falsch einordneten, der sich mit Gesinnungsgenossen getroffen und in der Slowakei Munition zu kaufen versucht hatte. Der Anschlag vom 2. November in Wien, den der Islamist beging und bei dem vier Menschen ums Leben kamen, hätte sonst womöglich verhindert werden können.

Die Achsen nach Moskau und Kiew

Derzeit nun dürften die Prioritäten des Innenministeriums wieder einmal weniger im Umbau der Behörde als in der Vermeidung weiterer Schlagzeilen liegen. Die neuen Vorwürfe wiegen schwer. Zum einen sollen Mitarbeiter des Amtes für den insolventen Bezahldienstleister Wirecard tätig gewesen sein sowie "personenbezogene Daten" an die Firma weitergegeben und die Zahlungsfähigkeit von Anbietern pornografischer Websites überprüft haben.

Gegen den nun in Kärnten festgenommenen Mitarbeiter wurde schon früher ermittelt, weil er für Russland spioniert haben soll. Der suspekte Mitarbeiter wurde später in der Sicherheitsakademie geparkt, wo er keinen Zugang zu sensiblen Daten mehr haben sollte. Er ist dem Vernehmen nach ein Vertrauter von W. und war - wie dieser und einige andere Kollegen, die derzeit im Visier der Ermittler stehen - vor Jahren auch als Belastungszeuge gegen das BVT aktiv gewesen. Das führte dann zu der fatalen Razzia.

Und dann sind da noch die Achsen nach Moskau und Kiew. Jan Marsalek soll, wie schon vor Monaten bekannt wurde, regelmäßig Informationen aus dem Amt erhalten und über die Österreichisch-Russische Freundschaftsgruppe an den russlandaffinen damaligen FPÖ-Politiker Johann Gudenus weitergegeben haben. Die Grünen, Teil der Regierungskoalition, fordern nun intensive politische Recherchen. Es müsse geklärt werden, so der Grünen-Politiker David Stögmüller, ob es einen "Informationsabfluss aus dem BVT an Marsalek gab".

Der ehemalige FPÖ-Abgeordnete Schellenbacher wiederum, der für Marsalek den Flieger organisierte, hat beste Kontakte zu ukrainischen Oligarchen. Vorwürfe von Geldwäsche und Korruption stehen im Raum. Die FPÖ kontert ihrerseits mit Vorwürfen: Der blaue Abgeordnete Christian Hafenecker warf dem BVT am Montag vor, laut Ermittlungen des Bundesamtes für Korruptionsbekämpfung (BAK) habe eine Ex-Stasi-Agentin BVT-Mitarbeiter dazu angestiftet, Informationen für die tschechische Sazka-Gruppe zu sammeln, die mittlerweile Mehrheitseigentümer des österreichischen Glückspielkonzerns Casinos Austria ist.

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