Österreich:Bräunliche Bewerberin

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Österreichs rechtsradikale FPÖ schickt die zehnfache Mutter Barbara Rosenkranz ins Rennen ums Präsidentenamt. Ihre eindeutigen Parolen verstören viele Wähler.

Michael Frank, Wien

Am 24. April wählt Österreich den Bundespräsidenten. Noch nie hat ein Herausforderer gegen ein amtierendes Staatsoberhaupt gewonnen.

Die Österreichische Volkspartei (ÖVP) hat folglich keinen eigenen Kandidaten gegen den Amtsinhaber Heinz Fischer aufgestellt, einen einst führenden Sozialdemokraten. Die Führungsebene der Christsozialen empfiehlt ihren Anhängern, zur Wahl zu gehen, aber eine ungültige Stimme abzugeben.

Die rechtsradikale Freiheitliche Partei (FPÖ) wiederum nutzt den Fehlstart ihrer Kandidatin zur Bereinigung interner Frontlinien. Der Dritte im Bunde ist ein Außenseiter, ein christlicher Kandidat, der mit seiner demonstrativen Frömmelei sogar die Abwehr der Kirche herausfordert.

Keine Erstattung von Wahlkampfkosten

Die ÖVP war nicht nur zu ängstlich, den würdevoll und vorsichtig amtierenden Heinz Fischer herauszufordern. Es gibt auch keine Wahlkampfkostenerstattung.

Die Partei weigert sich jedoch, Fischers Wiederwahl zu empfehlen. Hohe ÖVP-Provinzfunktionäre orakelten, "bürgerliche Wähler" würden angesichts des "Altsozialisten" Fischer doch lieber die von den Rechtsradikalen aufgestellte Barbara Rosenkranz wählen.

Diese Aussage verstört viele Österreicher. Barbara Rosenkranz wird oft zugeschrieben, dass sie im Windschatten nationalsozialistischen Gedankengutes segelt. Wiens Israelitische Kultusgemeinde nannte Rosenkranz' Nominierung eine Beleidigung der Opfer der Judenverfolgung.

Rosenkranz zweifelt an Strafen für Nazis

So hat die ÖVP-Führung auf Bundesebene nun mehr oder minder deutlich ihren Leuten geraten, ungültig zu stimmen. Die Grünen, die ihren Anhängern raten, Fischer zu wählen, sehen darin einen bösen Fauxpas: Wer zur Kandidatin Rosenkranz nichts zu sagen habe, verharmlose den Nationalsozialismus, finden sie. Amtsinhaber Fischer selbst aber nehmen die Grünen übel, dass er nicht eindeutig ausschließen will, je eine Bundesregierung mit FPÖ-Beteiligung zu vereidigen.

Die zehnfache Mutter Rosenkranz hatte zunächst die Zustimmung der Neuen Kronen Zeitung, des bestimmenden, ultrakonservativen Revolverblattes des Landes. Dann zweifelte sie am Verbotsgesetz, das Betätigung im Sinne des Nationalsozialismus mit hohen Strafen bedroht.

Krone-Herausgeber Hans Dichand verlangte von ihr eine eidesstattliche Erklärung, dass sie die Gräuel der NS-Zeit nicht anzweifele - die Rosenkranz prompt abgab. Es hatte in der Krone-Redaktion sogar einen Aufstand gegen den Kurs des Herausgebers gegeben, ein bis dato unerhörter Vorgang. Mit ihrer Demutsgeste hat Rosenkranz für ihre Anhänger an Glaubwürdigkeit verloren.

Erfahren Sie auf Seite 2 mehr über Barbara Rosenkranz und den Kandidaten der Christlichen Partei Österreichs, der seinen Wahlkampf mit einer katholischen Messe eröffnete.

Inzwischen hat ihr Fehlstart sogar Parteichef Heinz-Christian Strache wankelmütig gemacht. Er hatte ihre Kandidatur betrieben und die Erwartung geäußert, Rosenkranz werde 35 Prozent der Stimmen holen - eine allerdings kaum erreichbare Zahl.

Strache wäre inzwischen alles recht: Reüssiert sie, ist auch er der Gewinner; stünde sie am Ende blamiert da, könnte er sie als parteiinterne Rivalin ausbremsen. Rosenkranz zählt zu den wenigen, die widersprechen und nicht alle Einfälle des FPÖ-Chefs nachbeten.

Eine Messe zu Beginn der Wahlkampagne

Rudolf Gehring schließlich, Bundespräsidentenkandidat der weithin unbekannten Christlichen Partei Österreichs, hat seine Kampagne mit einer katholischen Messe in einer Wiener Kirche eröffnet. Gehring polemisiert gegen die Fristenregelung für Abtreibungen und verlangt, alles Recht auf christliche Gesetzmäßigkeit abzuklopfen.

Nun versucht die katholische Kirche dem Eindruck zu begegnen, der seltsame Frömmler sei ihr willkommen: Der Wiener Generalvikar Franz Schuster verkündete in einem Brief an Pfarren und Mitarbeiter, dass "jede Instrumentalisierung des Gottesdienstes und kirchlicher Gebäude für politische Zwecke entschieden abzulehnen ist. Parteipolitik hat im gottesdienstlichen Raum nichts verloren".

Der Kandidat ließ die Wähler unverdrossen wissen: Er lasse sich von niemandem verbieten, die Messe zu besuchen.

Viele Möglichkeiten, politisch Einfluss zu nehmen

Österreichs Bundespräsident wird direkt gewählt und ist weit mächtiger als etwa sein bundesdeutscher Kollege. Er hat über die Urteile des Verfassungsgerichts zu wachen und hätte sie durchzusetzen, würden sie missachtet (wie er das tun sollte, sagt die Verfassung freilich nicht). Der Bundespräsident ist in dem Punkt der Exekutive als letzte Instanz übergeordnet.

Zum Ernstfall ist es noch nie gekommen. Dennoch liegt hier wie in vielen anderen, scheinbar nur formalen Befugnissen weiträumige Gestaltungskraft. Der Präsident ist der Herr des Verfahrens bei der Regierungsbildung, er ernennt und entlässt Bundeskanzler und Minister.

Er ernennt auch Offiziere des Bundesheeres, dessen Oberbefehlshaber er ist. Er ernennt Hochschullehrer und höhere Beamte, hat das Gnadenrecht und kann sogar den Status unehelicher Kinder legalisieren. Nur sind diese Rechte in der Praxis von den Amtsinhabern meist äußerst zurückhaltend und nur sehr selten dazu ausgeübt worden, politischen Einfluss zu nehmen.

© SZ vom 15.4.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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