Reaktion:Bei Anruf Strache

Die "Soko Ibiza" ermittelte, beim wem sich der Politiker meldete, nachdem er von dem brisanten Video erfahren hatte.

Von Peter Münch, Frederik Obermaier und Bastian Obermayer, Wien

- Wien 14.11.2019 - Heute wurde im Wiener Landesgericht der Boulevardzeitungen-Prozess von Österreich -Herausgeber Fell

Heinz-Christian Strache, 50, war Chef der rechtspopulistischen FPÖ und in der Regierungskoalition mit Sebastian Kurz’ ÖVP Österreichs Vizekanzler. Im Mai trat er wegen der Ibiza-Affäre zurück. Seine Partei hat ihn suspendiert.

(Foto: Georges Schneider/imago)

Als Überraschungsgast ist Heinz-Christian Strache am Samstag vor dem Wiener Kanzleramt aufgetreten. Es war nicht mehr die ganze große Bühne, aber bei seiner Rede auf der Demonstration gegen das seit 1. November geltende Rauchverbot in Österreichs Gastronomie hat der frühere FPÖ-Chef und Vizekanzler wieder mal gezeigt, dass er noch da ist. Wenig später bot er dann via Facebook seiner Partei gar die Rückkehr an und regt eine "Basis-Abstimmung" darüber an, wer die FPÖ "in die Zukunft und Wiener Wahl 2020 führen soll". Doch für ein paar Schlagzeilen hatte er ohnehin schon vorher gesorgt an diesem Wochenende. Dabei ging es allerdings nicht um neue Karrierepläne, sondern wieder mal um die Ibiza-Affäre, die im Mai zu Straches Rücktritt geführt hat.

"Hast du einen Safe in deinem Büro, wo ich heikle Unterlagen lagern kann?"

Konkret geht es um einen bemerkenswerten Reigen von Telefonaten, die Strache kurz vor Veröffentlichung des Ibiza-Videos geführt hat. Zwei Tage davor, am 15. Mai, hatte ihn über Whatsapp eine gemeinsame Anfrage von Süddeutscher Zeitung und Spiegel erreicht. Es waren Fragen unter anderem zu seinem Treffen mit einer vermeintlichen Oligarchennichte und zu möglichen versteckten Spenden an die FPÖ über gemeinnützige Vereine. Und unmittelbar nach Eingang dieser Anfrage hatte Strache, wie aus Dokumenten hervorgeht, die dem Magazin Profil vorliegen und die die SZ einsehen konnte, offenbar einigen Klärungsbedarf.

Die Auflistung der Telefonate geht auf eine sogenannte Rufdatenrückerfassung zurück, die die "Soko Ibiza" für die Mobiltelefonnummern von Strache und von Johann Gudenus angefordert hat, der auf Ibiza mit auf dem Sofa gesessen hatte. Zu entnehmen ist diesem Protokoll, dass Strache am 15. Mai um 14.46 Uhr, also exakt 15 Minuten nach Erhalt der Anfrage von SZ und Spiegel, Gudenus anrief. Das Telefonat dauerte nur zehn Sekunden. Insgesamt, so heißt es, habe er an diesem Tag viermal versucht, Gudenus zu erreichen, es sei jedoch kein Gespräch zustande gekommen.

Schon kurz nach dem ersten Anruf bei Gudenus, um 14.57 Uhr, telefonierte Strache dann mit einem Mann, den er im Ibiza-Video unter jenen Prominenten genannt hatte, die "vorbei am Rechnungshof" an Parteien spenden würden: René Benko, Milliardär und Großinvestor. Sechs Minuten dauerte dieses Gespräch, am selben Abend folgte ein weiteres siebenminütiges Telefonat. Auf Profil-Anfrage bestätigte Benkos Sprecher, es habe einen "telefonischen Kontakt" gegeben, "in welchem Herr Strache Befürchtungen zur Existenz eines ominösen Videos geäußert hat und dass eventuell missverständliche Äußerungen und haltlose Behauptungen in diesem Video aufgestellt werden." Er verwies auch noch einmal darauf, das Strache die Zahlung angeblicher Spenden durch Benko und andere später selbst öffentlich dementiert habe.

Zu den von Strache auf Ibiza genannten angeblichen Großspendern zählte zudem der Waffenfabrikant Gaston Glock - und von Glocks Ehefrau Kathrin war Strache dann unmittelbar nach seinem Gespräch mit Benko angerufen worden. Wenig später erhielt er noch vier weitere Anrufe, die von den Ermittlern der Glock GmbH zugeordnet wurden. Zwischendrin telefonierte Strache an diesem Tag auch noch rege mit Parteifreunden. Einen fünf Minuten dauernden Anruf von Strache bei Kurz verzeichnet das Polizei-Protokoll am 17. Mai gegen Mittag.

Die Telefonliste gibt freilich nur Auskunft über Gesprächspartner, nicht über Gesprächsinhalte. Profil zitiert allerdings auch noch aus einem Chatprotokoll, in dem Strache am Tag vor Veröffentlichung des Ibiza-Videos bei seinem Parteifreund, dem Wiener Notar Harald Stefan, anfragt: "Hast du einen Safe in deinem Büro, wo ich heikle Unterlagen lagern kann?" Der Notar antwortet, er könne das gern verwahren. Als jedoch am 24. Oktober die Staatsanwaltschaft bei Stefan vorstellig wurde, war in seinem Safe davon nichts zu finden. Stefan gab an, dass er nach dem Chat dazu nichts mehr gehört hätte. Er wisse auch gar nicht, um welche Unterlagen es sich hätte handeln können.

Am Rande der Raucherdemo nahm Strache dann im ORF auch zu diesen Berichten Stellung. Es sei nichts Außergewöhnliches, "wenn man sensible Akten auch irgendwo lagern will", sagt er. Und bei den Telefonaten sei es darum gegangen, "dass man sich da auch von meiner Seite entschuldigt hat, da oder dort offenbar auch einen Blödsinn gesprochen zu haben".

Dieser Text ist zuerst am 25. November 2019 in der SZ erschienen.

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