Buenos Aires:Die bunten Busse sollen bleiben

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Jede Buslinie in Buenos Aires hat bislang ihre eigene Farbkombination. So werden Verwechslungen vermieden. (Foto: Alamy Stock Photos / JoeFox Liverpool/mauritius images /)

In der Hauptstadt Argentiniens sind die Einwohner stolz auf ihre farbenfrohen Omnibusse. Nun will die Stadt sie einheitlich lackieren – und ist überrascht, wie schlecht die Idee ankommt.

Von Christoph Gurk, Buenos Aires

Um die ganze Tragweite des Problems zu verstehen, sieht man sich am besten die Linie 42 an: Sie fährt einmal quer durch Buenos Aires, von Nueva Pompeya, einem Arbeiterviertel ganz im Süden der Stadt, bis hoch in den Norden, ins schicke Belgrano, wo das Stadion des Fußballklubs River Plate steht. Seine Fans benutzten bisher immer gern den 42er-Bus, um zu den Spielen ihres Vereins zu fahren, was auch insofern passte, als die Fahrzeuge in Gelb und Rot lackiert sind, fast so wie die Farben von River Plate, Weiß und Rot. Nun aber soll sich das ändern: Die Linie 42 soll eingefärbt werden, in Blau, ausgerechnet, ist das doch die Farbe des Erzrivalen Boca Juniors.

Das aber, wie gesagt, ist nur die Spitze des Problembergs: Denn die Verwaltung von Buenos Aires will nicht nur die Busse der Linie 42 uniform umstreichen, sondern auch alle anderen, die im Stadtgebiet verkehren, jene der Linien 4, 6, 7, 12, 25, 26, 34 bis hoch zur Linie 151.

Bisher haben die Fahrzeuge jeder dieser Linien eine eigene, charakteristische Farbkombination: Weiß und Grün, Blau und Rot, Gold und Schwarz, Braun, Beige und Grau. Das ist durchaus hilfreich, schließlich gibt es im Großraum Buenos Aires gleich ein paar Hundert Linien, und die Farben verhindern Verwechslungen.

Ein Exemplar fand schon den Weg ins Mercedes-Benz-Museum in Stuttgart

Gleichzeitig waren die Einwohner der argentinischen Hauptstadt aber immer auch stolz auf ihre bunten Busse. Viele sind bis heute zusätzlich verziert mit Filetos, verschnörkelten Malereien also, handgefertigt und so typisch für Buenos Aires wie Steaks und Tango. Vor ein paar Jahren meldeten argentinische Zeitungen sogar stolz, dass ein besonders schönes Exemplar der Linie 6 es als Ausstellungsstück bis ins Mercedes-Benz-Museum nach Stuttgart geschafft hat. Wie abgefahren!

Nun aber sollen die bunten Busse allesamt blau eingefärbt werden: Echt jetzt?

Im Radio und Fernsehen wird heftig diskutiert und im Netz machen aufgebrachte Fans und Fahrgäste ihrer Wut Luft: Banausen! Traditionen würden mit Füßen getreten! Und längst gibt es auch eine Petition zur Rettung der Farbenpracht im ÖPNV von Buenos Aires.

Die Stadtverwaltung ist scheinbar überrascht von so viel Ärger und rudert zurück: Nur noch die Seiten der Busse sollen nun uniform blau werden, die Vorder- und Rückseite bleibt bunt.

Auch in Berlin und London gab es schon heiß diskutierte Traditionsbrüche

Dabei hätte man durchaus ahnen können, dass mit dem Design öffentlicher Verkehrsmittel nicht zu spaßen ist, Beispiele aus anderen Städten gibt es schließlich zur Genüge: In Berlin löste es vor ein paar Jahren schon massiven Ärger aus, als nur das Muster der U-Bahn-Sitzbezüge umgestellt werden sollte, von wurmig-wuselig, wie bisher, auf ein dezenteres Design. Und als in London die klassischen roten Doppeldecker mit Aufspring-Plattform durch modernere Modelle ersetzt werden sollten, verursachte das einen Aufschrei der Empörung: Ein Sakrileg, wüteten die Kommentatoren. Wieso nicht gleich auch den Buckingham-Palast abreißen?

Das zeigt: Öffentliche Verkehrsmittel sind für viele Menschen mehr als ein Mittel zum Zweck. Wenn man jeden Tag viel Zeit in ihnen verbringt, werden Busse und Bahnen irgendwann wohl auch zu einer Art zweitem Zuhause. So gesehen: Wer hätte es schon gerne, wenn die Hausverwaltung plötzlich bestimmt, dass die Couch im Wohnzimmer grün sein muss statt braun, und die weißen Wände in Zukunft blau – erst recht, wenn das die Farbe des Fußball-Erzrivalen ist?

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