Ölförderung in Ecuador:Ausverkauf im Paradies

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Etwa 11.000 Ureinwohner leben noch in Yasuní, so auch Tage Kaiga vom Stamm der Huaorani.  (Foto: picture alliance / Wildlife)

Hat die Welt versagt? Weil die internationale Gemeinschaft nicht, wie gewünscht, drei Milliarden Dollar bezahlt hat, lässt Ecuador nun im Nationalpark Yasuní nach Erdöl bohren. Die Folgen für das einmalige Naturreservat könnten verheerend sein.

Von Peter Burghardt, Buenos Aires

Wenn zuletzt darüber beraten worden ist, wie sich sensible Teile der Welt vielleicht doch noch vor dem Markt bewahren ließen, dann ist oft der Name Yasuní gefallen. Der Nationalpark liegt im Regenwald an den Ausläufern des Amazonas', und außer einer sagenhaften Fülle von Tieren und Pflanzen enthält er auch eine Menge Erdöl.

Da hatte der ecuadorianische Präsident Rafael Correa eine Idee: Das Erdöl sollte in der Erde bleiben, der Boden nicht verschmutzt werden - falls die internationale Gemeinschaft dafür zahle. Immerhin geht es um zahlreiche Spezies sowie um Luft, Wasser und das Klima, was ja alle beträfe. Vor den Vereinten Nationen stellte Correa das Konzept 2007 vor und wünschte sich in zwölf Jahren Beiträge in Höhe von 3,6 Milliarden Dollar. Doch die gewünschte Hilfe kam nicht, und jetzt ist es offenbar vorbei.

Logik der Macht

Am Donnerstagabend gab der linksgerichtete Staatschef in Quito bekannt, dass das Projekt Yasuní am Unverständnis der Finanziers gescheitert sei. "In tiefer Trauer und mit absoluter Verantwortung vor unserem Volk und der Geschichte musste ich eine der schwierigsten Entscheidungen meiner Amtszeit treffen", sagte Correa in einer Fernsehansprache. Er habe das Dekret unterzeichnet, den Fonds für das Schutzgebiet aufzulösen. Außerdem werde er das Parlament bitten, die Ölvorkommen in Yasuní zum nationalen Interesse zu erklären. Wobei die Lizenzen für Bohrungen nur ein Prozent des Gebiets von knapp einer Million Hektar beträfen. Später korrigierte er sich auf Twitter, es gehe um ein Promille von Yasuní. "Die Welt hat versagt", verkündete Correa. "Es herrscht nicht die Logik der Gerechtigkeit, sondern der Macht."

Lage des Yasuní-Nationalpaks in Ecuador (Foto: N/A)

Sein Vorstoß war unter anderem bei der deutschen Regierung schlecht angekommen, Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel (FDP) wollte wenig wissen von dem Konzept Geld für Bäume statt Öl. Zuvor in Aussicht gestellte Mittel wurden zurückgezogen. Die Grüne Ute Koczy, die mehrfach in die Region reiste, klagt auf Twitter über eine "Tragödie für die noch unberührten Völker im Yasuní und den Artenschutz".

Der Ausstoß von 400 Millionen Tonnen CO2 würde verhindert werden, hatte Correa angekündigt. Die Vereinten Nationen unterstützten seinen Vorschlag als Beitrag für die Umwelt und wider die Erderwärmung. Aber Sponsoren überwiesen nicht mal einen Bruchteil der geplanten Finanzierung. Von 336 Millionen Dollar war die Rede, meist aus der Kasse europäischer Regierungen und Naturschutzorganisationen. Laut Correa sind nur 13,3 Millionen Dollar eingegangen, 0,37 Prozent der angestrebten Summe.

Nach Ecuadors ersten Berechnungen wären die 3,6 Milliarden Dollar die Hälfte dessen gewesen, was sich mit dem Öl aus dem Paradies verdienen ließe. Der Wert des zähflüssigen Bodenschatzes im Yasuní-Becken wurde auf 7,2 Milliarden Dollar geschätzt. In dem Sektor Ishpingo, Tambocacha und Tiputini (ITT) an der Grenze zu Peru ruhen mutmaßlich 846 Millionen Fässer Öl, ungefähr ein Fünftel der Reserven. Das kleinste Mitglied der Organisation Erdöl exportierender Länder (Opec) bestreitet fast die Hälfte seines Budgets aus dem Ölgeschäft. Der Ökonom Correa spricht inzwischen von möglichen Gewinnen aus Yasuní in Höhe von 18 Milliarden Dollar, die dafür verwendet würden, "die Armut zu besiegen, vor allem in Amazonien".

Proteste auch in Ecuador selbst: Menschen demonstrieren gegen die Ausbeutung des Yasuní-Nationalparks in Quito (Foto: Juan Cevallos/AFP)

Der staatliche Konzern Petroamazonas will sich schon in den kommenden Wochen an die Arbeit machen. Das sei enttäuschend, sagt Correa, aber das Öl unter diesen Umständen nicht zu fördern, "würde unserem Volk schaden." Schuld sei die Heuchelei der Industriestaaten, die reichsten Länder seien auch die größten Dreckschleudern. Zum Problem wurde für Ecuador die Wirtschaftskrise und Zweifel an den Verwaltern, die Mäzene wurden jedenfalls immer weniger wurden. Correa verspricht nun modernste Technik bei der Bergung des nationalen Schmierstoffs, doch das ändert wenig am Ärger.

"Sie werden uns nicht wegkriegen"

Yasuní ist Biosphärenreservat der Unesco und gilt als Dschungel mit der größten Artendichte pro Quadratkilometer im Amazonas-Raum. Außerdem leben dort indigene Bevölkerungsgruppen wie die Huaorani, die den Kontakt mit der Zivilisation meiden. 11 000 Ureinwohner werden in dem Revier vermutet. Was die Petro-Industrie in solcher Wildnis für Folgen haben kann, das zeigen Bohrungen am Rande von Yasuní und vor allem das Beispiel von Lago Agrio weiter nordwestlich. Dort hat das amerikanische Unternehmen Texaco jahrelang die Umgebung verpestet und nach Ansicht von Experten Todesfälle und Krankheiten ausgelöst.

Rechtsnachfolger Chevron wurde nach einem langen Prozess zu der Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 18 Milliarden Dollar verurteilt, weigert sich allerdings, die Strafe zu begleichen. Vor Correas Präsidentschaftspalast Carondelet in Quito wird derweil für den Erhalt der Region im Amazonasbecken demonstriert. "Sie werden uns nicht wegkriegen", riefen Aktivisten, "weil wir Yasuní retten müssen."

© SZ vom 17.08.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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