Öl-Embargo:Wie der Kreml auf die neuen EU-Sanktionen reagiert

Öl-Embargo: Etwa die Hälfte der russischen Exporte an Ölprodukten ging bisher nach Europa. Eine Tiefpumpe in der Nähe der Stadt Usinsk, 1500 Kilometer nordöstlich von Moskau.

Etwa die Hälfte der russischen Exporte an Ölprodukten ging bisher nach Europa. Eine Tiefpumpe in der Nähe der Stadt Usinsk, 1500 Kilometer nordöstlich von Moskau.

(Foto: Dmitry Lovetsky/picture alliance/dpa/AP)

Die EU hat sich auf ein Embargo gegen Öl-Importe aus Russland geeinigt. Ein russischer Mineralölkonzern droht mit der Drosselung der Ölproduktion. Und die Regierung des Landes? Schweigt - und leugnet.

Von Silke Bigalke, Moskau

Auf Sanktionen reagiert der Kreml stets gleich: Der Westen schade sich nur selbst, so lautet seine Propaganda, die russische Wirtschaft hingegen werde stärker und unabhängiger durch die Sanktionen. Ein durchsichtiger Versuch, die Lage schönzureden, und spätestens seit Beginn der "militärischen Spezialoperation", wie der Krieg in Russland genannt werden muss, dürfte auch Wladimir Putin klar sein, dass Schönreden nicht mehr ausreicht.

Inzwischen wirft er dem Westen vor, eine "globale Krise" durch seine Sanktionen auszulösen, so formulierte es Putin Mitte Mai. Deren Urheber seien getrieben von "kurzsichtigen, übertriebenen politischen Ambitionen und Russophobie" und handelten "auf Kosten ihrer eigenen nationalen Interessen, ihrer eigenen Wirtschaft und des Wohlergehens ihres Volkes". Damals war längst absehbar, dass die EU-Staaten ein Embargo für russisches Erdöl anstrebten.

Dieses ist nun beschlossen, und am Tag danach fehlt jede Reaktion aus dem Kreml. Russische Medien zitierten stattdessen eine Bloomberg-Meldung: Putin werde Einnahmen im Wert von zehn Milliarden Dollar jährlich verlieren, rechnet die US-Nachrichtenagentur vor, wenn die EU russische Erdöl-Lieferungen per Schiff verbietet. Eingerechnet ist da schon, dass Moskau nun versuchen wird, Rohöl mit Preisnachlass auf asiatischen Märkten zu verkaufen. Wenn Deutschland und Polen dazu auf Öl aus der "Druschba"-Pipeline verzichten, verliert Russland laut Bloomberg weitere zwölf Milliarden US-Dollar.

Statt russisches Öl mit Rabatt zu verkaufen, schlug Leonid Fedun, Vizepräsident des Mineralölkonzerns Lukoil, am Montag vor, die russische Erdölproduktion um ein Fünftel oder mehr herunterzufahren. "Wozu sollte man mehr Güter produzieren und exportieren, als es für ein dynamisches Wirtschaftswachstum und eine Steigerung des aktuellen Wohlstands notwendig ist?", schrieb er in der Wirtschaftszeitung RBK. Er erinnerte an die Diskussion "am Vorabend des Opec-Abkommens" und fragte: "Was ist besser - zehn Barrel Rohöl für je 50 Dollar zu verkaufen oder sieben für 80 Dollar?" Ein radikaler Ansatz, entgegnete Energie-Analyst Alexander Sobko in einem eigenen Kommentar. Würde Russland seinen Marktanteil nicht an andere Hersteller abgeben? Und wie schnell könnte es die Produktion bei Bedarf wieder hochfahren? "Ist es möglich, einige der Bohrungen stillzulegen, ohne einen teilweisen Produktivitätsverlust zu riskieren?"

"Der größte Teil der Weltbevölkerung unterstützt keine Sanktionen gegen Russland."

Der Kreml möchte sich seit Jahren unabhängiger machen von der Nachfrage aus Europa. "Der größte Teil der Weltbevölkerung unterstützt keine Sanktionen gegen Russland", sagte Iwan Abramow, stellvertretender Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses des Föderationsrates, der staatlichen Nachrichtenagentur Ria Nowosti nach der Entscheidung in Brüssel. "Wir können neue Absatzmärkte für unser Öl in Asien, Südostasien, Afrika finden."

Öl- und Gas tragen mehr als ein Drittel zum russischen Staatshaushalt bei, wobei das Erdöl bis zu 85 Prozent dieser Einnahmen ausmacht. Etwa die Hälfte der russischen Erdölexporte geht nach Europa. Putin hatte bereits im April mit Ministern und Industrievertretern über die Situation und die "schrumpfenden Auslandsmärkte" gesprochen. Eine Lösung sei, so Putin, die Exporte "Schritt für Schritt auf die stark wachsenden Märkte des Südens und Ostens umzuorientieren". Tatsächlich verschiffte Russland im April erstmals mehr Erdöl nach China und Indien als in die EU, schrieb Bloomberg - allerdings zu hohen Preisnachlässen.

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