Süddeutsche Zeitung

Ökostrom:Sturmwarnung

Energie für Selbstversorger: Sind Mini-Windräder im eigenen Garten die Lösung - oder nur Stoff für neue Nachbarschaftskonflikte?

Von Gerhard Matzig

Sicherheitshalber fragt man bei der Lokalbaukommission in München nach, ob eine kleine Windkraftanlage im eigenen Garten erlaubt wäre. Die Nachbarn rechter Hand fragt man nicht. Die haben einem mal so missvergnügt wie kommentarlos eine amtliche Broschüre über den Mindestabstand von Staudenpflanzungen an Grundstücksgrenzen in den Briefkasten gesteckt. Vermutlich würden sie die Polizei rufen.

Thorsten Vogel vom Referat für Stadtplanung und Bauordnung in München sagt, dass in Bayern Kleinwindkraftanlagen generell "verfahrensfrei" seien - in einer Höhe bis zu zehn Metern. Allerdings müsse man mit Blick auf "Lärmimmissionen, Schattenwurf, Belastungen durch Drehbewegungen der Rotoren oder den sogenannten Discoeffekt" eine "unzumutbare Belästigung" der Nachbarschaft ausschließen. Das ist "im Einzelfall zu klären". Der Discoeffekt stellt sich ein, wenn Sonnenlicht auf rotierende spiegelnde Oberflächen trifft. Womöglich hat er das Zeug dazu, die traditionellen Nachbarschaftsfehden um Grillschwaden und das Rasenmähen zur Mittagszeit in der Ära des Klimawandels auf ungeahnte Weise zu bereichern.

Auf der Online-Plattform ingenieur.de wird diese Frage diskutiert: "Ein Windrad im Garten oder auf dem Dach - lohnt sich das?" Der Hintergrund: Steigende Energiepreise treffen auf eine mitunter desorientiert wirkende Energiepolitik, bei der man nicht immer weiß, zumal in Bayern, ob beispielsweise die Windkraft gefördert oder sabotiert werden soll. Trotzdem erzeugen große Windkraftanlagen bereits 24 Prozent des bundesweiten Strombedarfs. So stellt sich die Plattform-Frage: "Wie sieht es mit den Mini-Windkraftwerken für den Endverbraucher aus?"

Energiepolitik mit Gartenzwergen

Wobei man sich ein Mini-Windkraftwerk nicht wie eine Schrumpf-Version der bis zu 200 Meter hohen Großwindanlagen vorstellen darf. Auch "Kleinwindkraftanlagen", zumeist niedriger als 30 Meter, sind nicht gemeint. Es geht um rein private Anlagen, die maximal zehn Meter hoch sind. Zum Beispiel Windturbinen, die in den USA entwickelt wurden, etwa drei mal drei Meter groß und angeblich geräuschlos - ganz ohne Rotorblätter und Discoeffekt.

Gegenüber Solaranlagen sollen derartige Turbinen, die vor allem für Flachdächer denkbar sind und im Prinzip wie überdimensionierte Schränke mit Lufteinlässen wirken, sogar eine höhere Energieeffizienz bieten. Bei geringerem Platzbedarf. Der Stromgewinn beruht übrigens auf Effekten der Aerodynamik. Allerdings sind die Geräte bislang nur für Mehrfamilienhäuser und Gewerbebauten ausgelegt. Doch das kann sich ändern, wenn die Nachfrage steigt.

Anders als auf dem Land ist aber der Windertrag in besiedelten Bereichen relativ gering. Außerdem weht der Wind erst in der Höhe verheißungsvoll intensiv - wenn er denn weht. Selbst die optimistische Plattform ingenieur.de lässt die Frage, "ob sich solch eine Anlage wirklich lohnt", letztlich offen. Auch hier dürfte es auf den Einzelfall ankommen. Und natürlich darauf, was eigentlich die Nachbarn sagen, wenn man die Defizite staatlicher Energiepolitik in Zukunft vor allem im eigenen Garten ausbügeln soll.

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