Ökologischer Landbau:Steuern per Steuer

Die Bauern haben das miserable Image des Umweltzerstörers. Dabei müsste man Verbraucher dazu bringen, Bio zu kaufen.

Von Rudolf Neumaier

Die Bauernmaid Lisette schleppt Milch auf den Markt und spekuliert munter vor sich hin, was sie mit dem Geld anfangen wird, das ihre Milch einbringt. Sie würde es in Hühner und Schweine investieren, ihr Kleinbetrieb würde aufblühen. Da fällt die Milchkanne auf den Boden und aus ist der Traum. Von Jean de la Fontaines Versfabel "Der Milchtopf" kommt der Begriff Milchmädchenrechnung. Ähnlich wie Lisette geht es vielen Landwirten, die auf Bioproduktion umgestellt haben. Sie träumen allerdings nicht nur von einem blühenden Betrieb, sondern vor allem von blühenden Wiesen. Sie haben investiert - und müssen dann feststellen, dass sie keine Abnehmer finden für Biomilch und Biogetreide. Eine bittere Erkenntnis.

Nicht wenige Landwirte wären bereit zu einer Abkehr von der konventionellen Produktion: zu einem schonenderen Umgang mit ihrem Boden, zum Verzicht auf Chemikalien und zu einer artgerechteren Tierhaltung. Nur müsste sie irgendwer für das damit verbundene Risiko und den höheren Arbeitsaufwand entlohnen. Daran gebricht es. Die Kunden greifen lieber zu Billigstmilch und Schnäppchenbrot, auch wenn bei der Herstellung Herbizide wie das weithin geächtete Glyphosat eingesetzt wurden.

Einerseits klagen alle über den drastischen Rückgang an Wildkräutern, über das nahe Aussterben von Schmetterlingen, Feldhasen und Singvögeln. Andererseits fördern sie beim Einkaufen im Supermarkt eine Landwirtschaft, die diese Tiere von den Feldern verjagt, indem sie Hecken vernichtet, Chemikalien spritzt und die Wiesen fast schon öfter mäht als manche Gartenbesitzer ihren Rasen. Ein Desaster. Das miserable Image als Umweltzerstörer haben aber nicht die Verbraucher, sondern die Bauern.

Von den Wurzeln des Problems ist man noch denkbar weit entfernt

Was kann man gegen die ökologische Katastrophe auf den Feldern unternehmen? Man kann - wie es gerade das Volksbegehren in Bayern praktiziert - die Ursache bei den Bauern suchen und ihnen strengere Regeln auferlegen. Damit lassen sich Symptome behandeln. Doch von den Wurzeln des Problems ist man noch denkbar weit entfernt. Viel wichtiger wäre, die Konsumenten endlich dazu zu bringen, in Obst und Fleisch, in Milch und Semmeln zu investieren, die unter den selbst auferlegten Vorgaben der Bioverbände produziert sind. Dafür sind Anreize nötig. Doch Vorstöße von Einrichtungen wie dem Freiburger Öko-Institut, das anregte, klimaverträglichere Produkte mit einem geringeren Mehrwertsteuersatz zu versehen, verhallten bislang.

Vor 20 Jahren beschloss die rot-grüne Bundesregierung das "Gesetz zum Einstieg in die ökologische Steuerreform" - die Geburtsstunde der Ökosteuer, die unter anderem auf Kraftstoff entfällt. So halbherzig die Idee umgesetzt war, so einträglich ist die Steuer; sie bringt dem Fiskus mehr als dem Klima. Um aber das Artensterben zu stoppen, braucht es eine Ökosteuer, die dem Sinn des Wortes gerecht wird. Eine solche Steuer müsste konventionell erzeugte Produkte an der Supermarktkasse preislich den Bioerzeugnissen angleichen. Mit den Einnahmen wiederum wäre ökologischer Landbau zu fördern. Eine Milchmädchenrechnung? Keineswegs. Wer Initiativen wie die Maut für ausländische Fahrzeuge durchgesetzt hat, findet auch gesetzliche Möglichkeiten, Bio attraktiver zu machen. Sollen Insekten wirklich gerettet werden, müssen alle investieren. Nicht nur die Bauern.

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