Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung:Merkels Selbstdarsteller

Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung: Kein Bündnis von Gelassenheit: Die deutsche Bundesregierung bei Bundespräsident Joachim Gauck (Zehnter von links).

Kein Bündnis von Gelassenheit: Die deutsche Bundesregierung bei Bundespräsident Joachim Gauck (Zehnter von links).

(Foto: AFP)

Ihre Mehrheit im Bundestag ist so groß, trotzdem sind Union und SPD so unsouverän. Ihr Umgang mit den Medien brüskiert Linke und Grüne, für eine Rentenkampagne geben sie viel Geld aus. Und dann sind da noch die Minister-Videos - mit weitgehend banalem Inhalt.

Von Robert Roßmann, Berlin

Eigentlich könnte die große Koalition ein Bündnis großer Gelassenheit sein. Union und SPD stellen im Bundestag 80 Prozent der Abgeordneten, seit einem halben Jahrhundert konnte sich keine Regierung mehr auf eine breitere Mehrheit stützen. Außerdem sind Grüne und Linke derzeit nicht gerade in einer Form, wegen der man als Minister mit Angstschweiß ins Bett gehen müsste.

Umso erstaunlicher sind die vielen kleinen Nickeligkeiten der Regierung im Umgang mit der Opposition. Die jüngste hat jetzt sogar Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) auf den Plan gerufen.

In der letzten Sitzung des Ältestenrats ging es hoch her. Die parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Britta Haßelmann, beschwerte sich darüber, dass das Gutachten der Regierung für den NSA-Untersuchungsausschuss zur Frage, wie Edward Snowden vernommen werde könne, nicht zuerst an den Ausschuss gegangen sei. Einige Medien hätten den Inhalt des Gutachtens bereits Tage vorher gekannt, klagte Haßelmann.

Offensichtlich habe die Regierung das Werk durchgestochen, die Opposition habe deshalb nicht richtig reagieren können. Staatsminister Helge Braun, der als Vertreter des Kanzleramts im Ältestenrat saß, erklärte auf die Vorhaltungen trocken, er wisse auch nicht, wie das Regierungsgutachten in die Medien gekommen sei. Nicht nur Oppositionsvertreter fanden die Einlassung Brauns scheinheilig. Lammert ließ anschließend ausrichten, er halte das Vorgehen der Regierung in diesem Fall für völlig indiskutabel.

Auch im Umgang mit Anfragen der Abgeordneten gehen einige in der Regierung inzwischen neue Wege. Das Fragerecht der Parlamentarier ist eines ihrer wichtigsten Rechte. Die Abgeordneten können die Antworten der Regierung zunächst einige Tage lang exklusiv für die eigene politische Arbeit nutzen, bevor sie allgemein veröffentlicht werden. So war jedenfalls bisher die Übereinkunft. Doch in den vergangenen Monaten mehren sich die Fälle, in denen die Regierung ihre Antworten offenbar selbst verbreitet, bevor sie der jeweilige Fragesteller verwerten kann.

Ganz zufällig trifft es immer Oppositionsabgeordnete. Der Grund ist offensichtlich: Wer die Fakten als Erster verbreiten kann, hat eine große Chance, sie mit seinem politischen Spin verkaufen zu können.

Lammert nennt das Vorgehen der Regierung "indiskutabel"

Auch in der Außenvertretung übt die große Koalition nicht gerade Zurückhaltung. Das beste Beispiel für die neue Dreistigkeit der Regierung ist die Rentenkampagne von Andrea Nahles. Die Arbeitsministerin startete im Januar eine gewaltige Werbeaktion. Auf Plakaten in ganz Deutschland und Anzeigen in unzähligen Medien pries sie die Rente mit 63 und die Mütterrente. Mehr als eine Million Euro kostete die Kampagne.

Ähnliches haben auch schon andere Regierungen getan. Erstaunlich an der Aktion der Ministerin ist aber, dass das Parlament das Rentenpaket noch gar nicht verabschiedet hat. Union und SPD streiten immer noch über Details. Der Bundesrechnungshof hat Nahles inzwischen gerügt. Das kann der Ministerin aber weitgehend egal sein, schließlich hat die Kampagne ihre Wirkung schon gehabt. Grüne und Linke können von derlei Möglichkeiten, auf die immer noch laufende parlamentarische Debatte Einfluss zu nehmen, nur träumen.

Wie wenig sich die Regierung noch darauf verlassen will, wie Medien über sie berichten, zeigen auch die Minister-Interviews, die die Regierung sicherheitshalber gleich selbst produziert hat. "Das Kabinett stellt sich vor", heißt die Serie. Drei bis vier Minuten lang sind die Videos.

Den Anfang machte Außenminister Frank-Walter Steinmeier, als letzter Ressortchef war Verkehrsminister Alexander Dobrindt dran. Auch alle anderen Minister und die Kanzlerin wurden interviewt. Die Bundesregierung verbreitet die Videos auf ihren Internetseiten und in einem eigenen Youtube-Kanal. Die Produktion soll nur knapp 2000 Euro pro Video gekostet haben. Es stellt sich aber trotzdem die Frage, ob eine solche Selbstpräsentation wirklich zur Aufgabe des Bundespresseamtes gehört und vom Steuerzahler finanziert werden muss.

Das Amt rechtfertigt sich damit, dass die Minister "auch über ihre politischen Ziele" reden würden. Außerdem erlaubten die Videos "einen Blick auf die Person hinter dem Amt". Wer sich die Videos anschaut, erfährt allerdings eher Banales. Die Ressortchefs werden gefragt, ob sie "früher Vogel oder Nachteule" seien, wie sie sich einen schönen Feierabend vorstellen - und was sie in der Freizeit machen. "Ich bin gerne an der frischen Luft; wenn ich Zeit habe, lese ich auch gerne ein gutes Buch oder gehe in ein klassisches Konzert. Und ich koche gerne", antwortet da etwa die Kanzlerin.

Wirklich erwähnenswert sind bestenfalls die Antworten der Minister auf die Frage, warum sie Politiker geworden sind - sowie einige Antworten aus dem privaten Bereich. Etwa, wenn der Außenminister erklärt, er habe in seiner Studenten-WG gelernt, dass man die Zahl der Konflikte kalkulieren müsse, die man mit seinen Mitmenschen eingehe.

Zumindest wegen der Videos muss sich die Opposition allerdings nicht wirklich grämen. Auf Youtube werden sie weitgehend ignoriert. Bis Mittwoch wurden die meisten Videos nicht einmal 2000 Mal geklickt.

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