Öffentlichkeit:Lichte Momente

In vielen Städten sind intelligente Straßenlaternen in Mode. Sind sie sinnvoll? Forscher suchen ideale Konzepte - und grübeln unter anderem über Katzen und Frauen in dicken Pelzmänteln.

Von Charlotte Theile

Das Städtchen Yverdon-les-Bains im westschweizerischen Kanton Waadt hat wenig, was auf eine Revolution hindeutet. 30 000 Einwohner, Thermalbad, mittelalterliche Altstadt. Erst wenn es dunkel wird, zeigt die Stadt, was in ihr steckt. 500 der 3500 Straßenlampen sind mit Sensoren ausgestattet: Wenn ein Auto oder ein Fußgänger auftaucht, geht das Licht an. "Man kann es sich vorstellen wie eine Welle aus Licht, die einen durch den Ort trägt" sagt Jean-Marc Suttlerlet, der in Yverdon-les-Bains für die Beleuchtung zuständig ist. 2010 brachte er intelligente Leuchten in seiner Straße an. Jetzt soll die Altstadt, mittelfristig der ganze Ort umgestellt werden. Die Investitionen hält Sutterlet für gerechtfertigt: 2025, wenn alle Lampen intelligent sind, sollen die Beleuchtungskosten noch ein Viertel der Kosten von 2010 betragen.

Ungewöhnlich ist vor allem das Vorhaben, die ganze Stadt mit intelligenten Leuchten auszustatten. "Bewegungsmelder eignen sich für ruhige Wohngegenden", sagt Guise Togni, Präsidentin der Schweizerischen Agentur für Energieeffizienz. "Nur weil um vier Uhr morgens ein Auto fährt, muss man nicht die ganze Nacht leuchten." Anders als in Deutschland sei ausschalten für viele keine Option. Das Sicherheitsbedürfnis der Schweizer ist hoch, die Lampen leuchten besonders hell. Die Investition, mehrere Hundert Euro pro Lampe, amortisiert sich schneller als anderswo. Für die Neue Zürcher Zeitung ist intelligente Beleuchtung bereits ein "Modewort". Ein zweites Modewort heißt: Lichtverschmutzung, das Aufhellen des Nachthimmels. Sie soll durch smarte Lampen verringert werden.

Tatsächlich arbeiten Lichtarchitekten wie die Belgierin Isabelle Corten seit Jahren mit intelligenten Systemen. "Ich kenne keine Stadt, die sich nicht fragt, wie sie den Übergang in die Smart City schafft", sagt sie. Angebote gibt es viele. Der Energiekonzern EnBW etwa hat eine Laterne entwickelt, die nicht nur Licht-, sondern auch Wlan-Strahlen aussendet, Elektro-Autos lädt und Umweltdaten misst. Karlsruhe, Schwetzingen und andere testen die Technologie bereits. Corten ist skeptisch: "Wir sollten aufpassen, nicht alles mit Super-Funktionen auszurüsten, die dann ungenutzt bleiben. Hier geht es um öffentliches Geld."

Die Frage, welche Technologie sich durchsetzen wird, ist längst nicht geklärt: Da sich jeder Anbieter durchsetzen will, sind die Modelle selten kompatibel. Einige Kameras messen die Wärme der Objekte - im Zweifelsfall wird weder eine Katze noch eine Frau im Pelzmantel als Verkehrsteilnehmer erkannt. Andere sind mit Radarfunktion ausgestattet, reagieren auf Geschwindigkeit. Corten, die unter anderem in Frankreich, Großbritannien und Haiti tätig ist, spricht sich für eine genaue Analyse der Bedürfnisse aus. Im Brüssler Problembezirk Molenbeek erfüllt Licht andere Funktionen als in den Quartierstraßen von Yverdon-les-Bains.

Dort scheint fürs Erste ein Modus gefunden zu sein, der viele zufriedenstellt. Bei Bedarf fahren die Leuchten von zehn auf 100 Prozent hoch, langsam, damit die Anwohner keinen "Disco-Effekt" im Schlafzimmer haben, sagt Sutterlet. Das größte Kompliment sei aber ein ganz einfaches: Dass es in der Nacht nun endlich wieder Nacht sei.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: