Öffentlicher Dienst:Auftakt für den heißen Winter

Öffentlicher Dienst: Ulrich Silberbach, DBB-Chef, verweist auf die Energiekrise und die hohe Inflation, die auch die Beschäftigten im öffentlichen Dienst stark treffe.

Ulrich Silberbach, DBB-Chef, verweist auf die Energiekrise und die hohe Inflation, die auch die Beschäftigten im öffentlichen Dienst stark treffe.

(Foto: Wolfgang Kumm/dpa)

Die Gewerkschaften wollen wegen der Inflation deutlich mehr Geld für die 2,5 Millionen öffentlich Beschäftigten herausholen, wie viel genau geben sie diese Woche bekannt. Es droht eine heftiger Konflikt, Warnstreiks sind wahrscheinlich.

Von Benedikt Peters

Wenn es schlecht läuft, dann könnte ein Tag im kommenden Winter so aussehen: Die Menschen sitzen in ihren vor lauter Energiesparmaßnahmen kalten Wohnungen, während sich vor der Tür der Müll stapelt. Die Kinder bleiben zu Hause, weil die Kita zu ist. Die Kliniken stellen um auf Notbetrieb, und in der Stadtverwaltung geht niemand mehr ans Telefon.

Nein, es muss nicht so kommen, vor allem nicht derart geballt. Und doch könnte dieser Winter noch etwas ungemütlicher als ohnehin befürchtet werden, weil eine Tarifrunde unter äußerst schwierigen Vorzeichen stattfindet. Ab Januar verhandeln die Gewerkschaften Verdi und Deutscher Beamtenbund (DBB) mit den Kommunen und dem Bund über die Gehälter von etwa 2,5 Millionen Beschäftigten im öffentlichen Dienst. Dazu gehören Erzieher, Müllwerkerinnen, Krankenpfleger, Verwaltungsangestellte und viele Berufe mehr - von denen vielen gemein ist, dass sie mit Warnstreiks das öffentliche Leben empfindlich beeinträchtigen können.

Die Forderung könnte zwischen acht und elf Prozent liegen

Am Dienstag wollen die Gewerkschaften - neben Verdi und DBB sind auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft und die Polizeigewerkschaft GdP beteiligt - bekannt geben, welche Gehaltserhöhung sie für die Beschäftigten fordern. Klar ist: Es wird ein satter Betrag sein, und dafür haben die Gewerkschafter nachvollziehbare Gründe. Die Energiekrise und die hohe Inflation - zuletzt lag sie bei zehn Prozent - treffen auch die Beschäftigten im öffentlichen Dienst stark, wie Beamtenbund-Chef Ulrich Silberbach vorrechnet.

Da wäre zum Beispiel der Bundespolizist aus der Besoldungsgruppe A7, verheiratet, zwei Kinder. "Brutto bekommt er 2900 Euro", sagt Silberbach der SZ, "netto also etwa 1800 Euro. Davon muss er aber noch Miete und Heizkosten zahlen - und damit zwei Posten, die in letzter Zeit deutlich teurer geworden sind". Silberbach prognostiziert, dass die Gehaltsforderung der Gewerkschaften zwischen acht und elf Prozent liegen wird. Die Referenzgrößen sind für ihn die Metaller, die in der anderen großen Tarifrunde in diesem Winter acht Prozent verlangen, und das Bürgergeld, das zum Jahreswechsel um etwa elf Prozent ansteigt. Was richtig sei, betont Silberbach. "Aber einen vergleichbaren Anstieg haben auch unsere Beschäftigten verdient."

Ähnlich deuten lassen sich auch die bisherigen Äußerungen von Verdi-Chef Frank Werneke. In den vergangenen Wochen hat er mehrfach betont, ein Ausgleich der Inflation müsse das Ziel des Tarifabschlusses sein. Als Vorbild gilt den Gewerkschaftern der Abschluss, den Verdi im Sommer für das Bodenpersonal bei der Lufthansa erzielt hat. Die Beschäftigten bekamen die Inflation dort nicht nur ausgeglichen, sondern darüber hinaus noch eine Gehaltserhöhung, die gerade in den unteren Lohngruppen besonders stark war - in der Spitze beträgt sie 18,4 Prozent. Um nun auch im öffentlichen Dienst ihre Ziele durchzusetzen, scheint Verdi zu Streiks bereit zu sein. Der Druck ihrer Mitglieder sei in diesem Jahr besonders hoch, hört man.

Eine Möglichkeit: einmalig 3000 Euro

Unabhängig davon, ob das nötig werden wird: Harte Verhandlungen wird es in jedem Fall geben. Die kommunalen Arbeitgeber, die neben dem Bund die Gehaltserhöhung bezahlen müssten, signalisieren, dass in diesem Jahr nicht viel drin sei. Ihre Chefverhandlerin Karin Welge (SPD) appelliert an die Gewerkschaften, "maßvoll zu sein". Das entspricht den üblichen Textbausteinen vor Tarifrunden, dieses Mal hat aber auch Welge, die im Hauptamt Oberbürgermeisterin von Gelsenkirchen ist, gute Argumente für ihre Position.

Auch die Kommunen leiden unter Energiekrise und Inflation, der Betrieb öffentlicher Einrichtungen wird dadurch deutlich teurer. Die Spielräume in den Haushalten werden durch die vielen Krisenhilfen kleiner. Und dann wäre da auch noch die Corona-Pandemie, sie schmälerte die Einnahmen vieler Kommunen, zum Beispiel, weil viele Unternehmen in der Krise weniger verdient haben und deshalb auch weniger Gewerbesteuer zahlen mussten. Diese Ausfälle hat der Bund den Kommunen nur zum Teil erstattet. Viertens schließlich argumentiert Welge mit den Belastungen durch den Krieg in der Ukraine: Viele Kommunen kümmerten sich derzeit um die Unterbringung der Flüchtlinge, auch das koste zusätzliches Geld.

Eine Lösung der vertrackten Lage könnte womöglich über ein Angebot führen, das Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) Gewerkschaften und Arbeitgebern unterbreitet hat. Die Bundesregierung will ermöglichen, dass Arbeitgeber steuer- und sozialabgabenfrei einmalig 3000 Euro an ihre Beschäftigten ausschütten können. Gerade für Menschen, die geringe und mittlere Gehälter beziehen, käme eine solche Zahlung auf das Jahr gerechnet in die Nähe eines Inflationsausgleichs. Für die Arbeitgeber hätte sie außerdem den Vorteil, dass sie die Kassen anders als reguläre Gehaltserhöhungen nicht dauerhaft belastet. Die Gewerkschaften wollen zwar auch dauerhafte Gehaltsherhöhungen erreichen. Die Kombination mit einer Einmalzahlung aber könnte dazu führen, dass die dauerhafte Erhöhung nicht ganz so hoch ausfallen muss. Möglicherweise ließen sich so sogar Warnstreiks vermeiden - was den erfreulichen Effekt hätte, dass der Müll in diesem Winter doch ganz regulär abgeholt wird.

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