Im Tarifstreit um Gehälter und Arbeitszeit im öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen werden unabhängige Schlichter nach einer Lösung suchen. Das kündigte die Verhandlungsführerin des Bundes, Innenministerin Nancy Faeser (SPD), in Potsdam an. Auch die Gewerkschaft Verdi bestätigte den Schritt. Die Schlichter sollen binnen drei Tagen ihre Arbeit aufnehmen.
Für die Menschen im Land verheißt das zunächst ein wenig Ruhe: Ab Beginn der Schlichtung, die in der Regel etwa zwei Wochen dauert, herrscht Friedenspflicht, Streiks sind also nicht möglich. Wenn sie angerufen werden, erarbeiten die Schlichter in einer 24-köpfigen Kommission einen Einigungsvorschlag, dem Gewerkschaften und Arbeitgeber anschließend noch zustimmen müssen.
„Bis kurz vor dem Erklären des Scheiterns der Verhandlungen durch die Arbeitgeber hat es immer neue Lösungsvorschläge durch Verdi gegeben, von daher bedauere ich es sehr, dass sich Bund und Kommunen in die Schlichtung flüchten“, wird Verdi-Chef und Verhandlungsführer Frank Werneke in einer Mitteilung der Gewerkschaft zitiert. „Egal, ob bei einer ausreichenden linearen Erhöhung oder einem Mindestbetrag als soziale Komponente, Altersteilzeit oder einem zeitgemäßen Arbeitszeitkonto – die Arbeitgeber haben sich vielen für die Beschäftigten wichtigen Forderungen weitgehend verweigert“, sagte Werneke.
Roland Koch wird der wichtigste Mann des Verfahrens
Die personelle Besetzung der Schlichtungskommission steht bereits fest. Die zwölfköpfige Delegation der Arbeitnehmerseite führt der ehemalige Bremer Staatsrat Hans-Henning Lühr (SPD), die Delegation der Arbeitgeberseite leitet der frühere hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU). Koch wäre zugleich die wichtigste Person des Verfahrens: Sollten sich die Delegationen der beiden Seiten in der Kommission nicht einigen und es am Ende ein Patt geben, hätte er die entscheidende Stimme. Er könnte einen Einigungsvorschlag durchdrücken, auch gegen den Willen der Schlichter der Arbeitnehmerseite.

Danach würden Gewerkschaften und Arbeitgeber noch einmal auf der Basis des Schlichtungsvorschlags verhandeln – und sich entweder einigen oder aber ein Scheitern der Schlichtung erklären. Dann stünde womöglich eine heftige Streikwelle im öffentlichen Dienst bevor.
Eigentlich hatten sich Gewerkschaften und Arbeitgeber bis Sonntag auf einen neuen Tarifvertrag für etwa 2,6 Millionen Beschäftigte im öffentlichen Dienst einigen wollen. Die Gespräche waren dann aber noch einmal auf den Montagvormittag vertagt worden, nachdem sich bis vier Uhr am Morgen keine Lösung abgezeichnet hatte. Während die Arbeitgeber auf eine lange Laufzeit des Tarifvertrags drängten, waren den Gewerkschaften die in Aussicht gestellten Gehaltserhöhungen viel zu niedrig; auch beim Thema Arbeitszeit bewegten sich die Arbeitgeber kaum, so war es aus Verhandlungskreisen zu hören.
Verdi und der Deutsche Beamtenbund hatten für die etwa 2,6 Millionen Beschäftigten im öffentlichen Dienst, darunter Pflegekräfte, Busfahrerinnen, Erzieher und Verwaltungsangestellte, eine Reihe von Forderungen erhoben. Sie verlangten insgesamt acht Prozent mehr Geld und drei zusätzliche freie Tage. Für Mitarbeiter, die körperlich schwere Arbeit leisten, sollte es zudem höhere Zuschläge geben, außerdem wollten die Gewerkschaften ein Zeitkonto einführen, mit dem Beschäftigte einen Teil des Lohns in weitere freie Tage umwandeln können. Für Gewerkschaftsmitglieder verlangten sie einen Bonus in Form eines zusätzlichen freien Tages; eine ähnliche Regelung haben Gewerkschaften in anderen Branchen schon durchgesetzt, etwa in der Chemie.
Verdi und Beamtenbund argumentierten für ihre Forderungen erstens mit der Inflation: Die hohen Teuerungsraten der vergangenen Jahre seien bisher nicht vollständig ausgeglichen worden. Zweitens müsse der öffentliche Dienst dringend attraktiver werden, um im Wettbewerb um Fachkräfte zu bestehen. Nach Gewerkschaftsangaben sind derzeit etwa 550 000 Stellen im öffentlichen Dienst nicht besetzt.
Die Arbeitgeber hielten dem entgegen, die Forderungen seien zu kompliziert und zu teuer: Auf 15 Milliarden Euro lautete eine erste Schätzung der Dachvereinigung der Kommunen VKA. Das könnten sich viele Gemeinden nicht leisten, hieß es. Im Umfeld der Verhandlungen war zu hören, dass einzelne kommunale Arbeitgeberverbände aus den Ländern eine Nullrunde für die Beschäftigten forderten. In mehreren Regionen, etwa in Sachsen, NRW und Rheinland-Pfalz, sind viele Gemeinden hoch verschuldet.